Frontotemporale Demenzen
Der Begriff der frontotemporalen Lobärdegeneration (FTLD) oder frontotemporalen Demenz (FTD) umfasst ein Spektrum von neurodegenerativen Erkrankungen, die vorwiegend den Frontal- und Temporallappen des Gehirns betreffen. Diese Hirnregionen sind maßgeblich verantwortlich für die Verhaltens- und Affektsteuerung, spielen aber auch eine bedeutsame Rolle in der Gedächtnis- und Sprachverarbeitung. Nach ihrem Erstbeschreiber Arnold Pick zunächst als Pick-Erkrankung bezeichnet, wurden Name, Klassifikation und diagnostische Kriterien dieser Krankheitsentität mit fortschreitendem Wissen wiederholt verändert und dem jeweiligen Erkenntnisstand angepasst. Zu den Erkrankungen des FTLD-Spektrums, dessen Definition bis heute nicht abgeschlossen ist, zählen nach aktuellen Vorstellungen im engeren Sinne:
- die Verhaltensvariante (bvFTD) der frontotemporalen Demenz,
- die frontotemporale Demenz mit amyotropher Lateralsklerose (FTD/ALS), und
- die primär progredienten Aphasien (PPA):
- Nicht-flüssige Variante (nfvPPA)
- Semantische Variante (svPPA)
- Logopenische Variante (lvPPA)
Charakteristisch für die bvFTD sind zunehmende Wesens- und Verhaltensänderungen, die sich im Sinne einer Enthemmung, aber auch in Form einer zunehmenden Antriebsarmut bis hin zur Einstellung jeglicher Aktivitäten einschließlich des Sprechens darstellen können. Im sozialen Kontakt zeigt sich meist schon früh ein Verlust von Umgangsformen mit Distanzlosigkeit, gesteigerter Impulsivität und Reizbarkeit bis hin zu offener Aggressivität, es kann aber zu sozialem Rückzug mit Verlust von Mitgefühl und Einfühlungsvermögen sowie affektiver Verflachung kommen. Typisch ist auch die Entwicklung von repetitiven, formstarr und zwanghaft anmutenden Bewegungsmustern und Aktivitäten, die sich auch sprachlich in Form von Stereotypien und Manierismen niederschlagen können. Häufig zu beobachten sind Änderungen der Essgewohnheiten mit übermäßiger Nahrungsaufnahme und der Entwicklung einer Vorliebe für Süßigkeiten und Kohlenhydrate, aber auch Verzehr von (ungenießbaren) Gegenständen.
Bei der FTD/ALSentwickelt sich im Verlauf der FTD, meist einer bvFTD entsprechend, auch eine Motoneuronerkrankung im Sinne einer ALS.
Kennzeichnend für die drei Unterformen der primär progredienten Aphasie sind sprachsystematische Beeinträchtigungen.
Im Vordergrund der nicht-flüssigen Variante der PPAstehen dabei grammatikalische Fehler in Wort und Schrift, angestrengt stockendes, wenig moduliertes Sprechen mit inkonsistenten Lautfehlern (Sprechapraxie) sowie ein beeinträchtigtes Verständnis syntaktisch komplexer Sätze. Das Einzelwortverständnis ist dagegen wie auch das Objekt- bzw. Bedeutungswissen zunächst erhalten.
Die semantische Variante der PPAist gekennzeichnet durch Benennstörungen und ein gestörtes Einzelwortverständnis, beim Schreiben und Lesen kommt es oft zu lautsprachlichen Fehlern (z. B. Tahl statt Tal). Die Betroffenen sprechen mit unauffälliger Sprechmelodie flüssig und grammatikalisch korrekt, die Äußerungen sind aber zunehmend inhaltsarm und durchsetzt von Floskeln, das Objektwissen ist meist schon früh beeinträchtigt.
Bei der logopenischen Variante der PPA kommt es zu Wortfindungsstörungen, häufigen Sprachpausen bei der Wortsuche und Problemen beim Wiederholen von Sätzen oder Satzteilen., auch zu Lautersetzungen beim Sprechen (z. B. Taum statt Baum) Verletzungen grammatikalischer Regeln treten, wenn überhaupt, zunächst nur in sehr milder Form auf, Suchbewegungen bei Aussprache im Sinne einer Sprechapraxie, wie sie bei der nfPPA zu beobachten sind, finden sich nicht.
Die Häufigkeit der frontotemporalen Demenz in Deutschland beträgt ca. 5 Patienten pro 100.000 Einwohner. Die frontotemporale Demenz beginnt oft im Alter zwischen 40 und 65 Jahren und ist damit die zweithäufigste Demenzerkrankung bei unter 65-Jährigen. Mindestens 20% der Fälle sind genetisch-bedingt, wobei ursächliche Veränderungen in mehr als 20 verschiedenen Genen beschrieben wurden. Die in Patienten mit europäischer Herkunft am häufigsten veränderten Gene sind C9orf72, GRN (Progranulin), MAPT (tau) und TBK1. Bei der Mehrheit der Fälle bleibt die Ursache jedoch genetisch unklar. Neuropathologisch zeigen Nervenzellen von Erkrankten Einschlüsse bestimmter Proteine (TDP-43, FUS, tau, Beta-Amyloid). Man geht davon aus, dass diese Protein-Pathologien die normale Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und zu deren Absterben führen. Was wiederum die Ursache der Protein-Pathologie ist, ist, abgesehenen von den genetischen Fällen, noch weitgehend unverstanden.
Dr. med. univ. Zeljko Uzelac
Facharzt für Neurologie
0731-177-5272
zeljko.uzelac@rku.de
Dr. Sarah Anderl-Straub
Diplom-Psychologin
0731-500-63099
sarah.straub@uni-ulm.de
Prof. Dr. Dr. Dorothée Lulé
Leitung AG Neuropsychologie
Dorothee.lule@uni-ulm.de
Prof. Dr. Ingo Uttner
Leitung AG Neuropsychologie
Ingo.uttner@uni-ulm.de
Dr. med. Karin Graf
Studienärztin
karin.graf@uni-ulm.de
Leonie Werner
M.Sc. Psychologin
0731-500-63099
leonie-1.werner@uni-ulm.de
Nicola Lämmle
Study Nurse
nicola.laemmle@uni-ulm.de
Zumal im Anfangsstadium sind die Symptome der frontotemporalen Demenz isoliert klinisch nicht immer ausreichend sicher von denen anderer Erkrankungen zu unterscheiden. Erforderlich ist daher eine umfassende Differentialdiagnostik zum Ausschluss alternativer Ursachen, insbesondere einer vaskulären und einer Alzheimer Demenz, einer Enzephalitis, aber auch von Hirntumoren, epileptischen Anfällen sowie psychiatrischen Erkrankungen. Hierfür greifen wir neben der klinischen und neuropsychologischen Untersuchung auf spezielle bildgebende Verfahren (Magnetresonanztomographie [MRT] und nuklearmedizinische Bildgebungsformen [¹⁸F-FDG-PET]) des Kopfes, die Elektroenzephalographie (EEG) sowie laborchemische Untersuchungen von Liquor und Blut zurück. Da aktuell genspezifische Therapien entwickelt bzw. bereits in klinischen Studien getestet werden, ist angesichts der häufigen genetischen Verursachung eine humangenetische Diagnostik sinnvoll.
Unser ambulantes und stationäres Angebot deckt das volle diagnostische Spektrum hinsichtlich Demenzen ab. Im Speziellen bieten wir Ihnen an:
- Erst- und Zweitmeinung bei Verdacht auf frontotemporale Demenz
- Genetische Beratung, Veranlassung einer humangenetischen Diagnostik sowie Befundbesprechung bei V.a. familiäre/genetische frontotemporale Demenz
- Prädiktive Testung bei positiver Familienanamnese (siehe auch Sprechstunde für Neurogenetik)
- Ambulante Verlaufskontrollen bei bereits gesicherter Diagnose einer frontotemporalen Demenz
- Stationäre Optimierung symptomatischer Therapien
- Sozialmedizinische Beratung (Frau Metzger, siehe unten)
- Gesprächsgruppe für Angehörige von Patienten mit frontotemporaler Demenz (siehe unten)
- Stadien-abhängige Evaluation des Hilfsmittelbedarfs, Hilfsmittelberatung sowie Hilfsmittelversorgung zusammen mit spezialisierten Partnern
- Teilnahme an Therapie- und Beobachtungsstudien
Aktuell besteht bei keiner der genannten Demenzformen eine zugelassene ursächliche Therapiemöglichkeit. Für genetische Formen der FTD (C9orf72 und GRN) werden genspezifische Therapien derzeit in klinischen Studien evaluiert. Zum Teil stehen symptomatische Therapieoptionen zur Verfügung. Bei den primär progredienten Aphasien ist eine logopädische Sprachtherapie sinnvoll. Bei allen Formen sollte ein Therapieversuch mittels kognitiven Trainings erfolgen. Grundsätzlich sollte der Patient, sofern möglich, in den normalen Alltag eingebunden bleiben und kotherapeutisch ein Schwerpunkt auf frühere Interessen, z.B. mittels Kunst- und Musiktherapie, gelegt werden. Bei Antriebsminderung/Apathie kann ein medikamentöser Therapieversuch mit Antidepressiva unternommen werden. Bei Unruhezuständen und Ausschöpfen nicht-medikamentöser Ansätze kann der Einsatz von Neuroleptika erforderlich werden.
Die frontotemporale Demenz bedeutet sowohl für die Patienten als auch besonders für die Angehörigen eine enorme Belastung. Wir haben eine Gesprächsgruppe ins Leben gerufen, welche Angehörigen die Möglichkeit geben soll, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und untereinander Rat und Hilfe zu suchen. Zusätzlich geben wir als Fachleute Informationen über die Erkrankung sowie Behandlungs-, Medikations-, Sozial- und Rechtsfragen. Die Gesprächsgruppe trifft sich an jedem dritten Mittwoch im Monat von 15.00 bis 16.30 Uhr.
>> Flyer FTLD Gesprächsgruppe 2025
Weitere Infos und Anmeldung über das FTLD-Sekretariat:
Martina Hospes
Telefon: 0731-500-63010
Fax: 0731-500-63002
E-Mail: martina.hospes@uniklinik-ulm.de
Beratungsangebot für alle Fragen rund um das Thema Demenz:
- Wie beantrage ich einen Pflegegrad?
- Welche Entlastungs- und Unterstützungsangebote für den Alltag gibt es?
- Welche rechtlichen Fragen müssen geklärt werden (Betreuungsvollmacht, Patientenverfügung, etc.)
Kontaktstelle:
Evangelischer Diakonieverband Ulm / Alb-Donau
Diakonische Bezirksstelle | ProjektDEMENZ
Christine Metzger
Tel.: 0731-1538-505
E-Mail: cmetzger@kirche-diakonie-ulm.de
Grüner Hof 1, 89073 Ulm
Das FTLD-Register Schwaben erfasst seit Mitte 2014 zusätzlich zu ALS-Fällen auch FTLD-Fälle im Studiengebiet Schwaben. Wir hoffen, dadurch einen Einblick in gemeinsame Pathomechanismen zu gewinnen und Risikofaktoren zu identifizieren.
Ansprechpartnerin:
Nicola Lämmle, Studienassistentin
Tel.: 0173 3462115
>> Link https://www.uni-ulm.de/med/epidemiologie-biometrie/forschung/register/als-register/
- >> Registerstudie FTLD-NET: http://www.ftld.de/html/home
- >> Information des DZNE zu FTD: https://www.dzne.de/aktuelles/hintergrund/frontotemporale-demenz-ftd/
- Wer kann in die Sprechstunde für frontotemporale Demenzen kommen?
Patienten mit Verdachtsdiagnose oder gesicherter Diagnose einer frontotemporalen Demenz
- Ist eine Überweisung notwendig?
Ja, wir benötigen eine Überweisung durch den Haus- oder Facharzt (bitte Chipkarte nicht vergessen)
- Werden die notwendigen Untersuchungen von der Kasse gezahlt?
Ja
- Was soll man zur Erstvorstellung mitbringen?
- Angehörige zur Erhebung einer Fremdanamnese
- Falls vorhanden: Bildgebung des Kopfes (wenn möglich MRT) auf CD-ROM und mit schriftlichem radiologischem Befund sowie schriftliche Befunde der sonstigen bisher durchgeführten Diagnostik als Kopien (insbesondere Befunde zur Neuropsychologie und Nervenwasseruntersuchung)
- 1-2 Stunden Zeit, in der Regel werden insgesamt 2-3 Termine zur Erhebung der Vorgeschichte, der Durchführung einer ausführlichen neuropsychologischen Diagnostik und weiterer Zusatzuntersuchungen sowie der abschließenden Befundbesprechung vereinbart.