Die Kli­nik bil­det mit aus­ge­wie­se­nen Exper­ten und in Koope­ra­tion mit der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen das Süd­deut­sche Angioö­dem­zen­trum.

Was ist ein Angioö­dem?

Beim Angioö­dem (AE) han­delt es sich um eine öde­ma­töse Schwel­lung der Unter­haut. Grob unter­schie­den wird zwi­schen Histamin-​vermittelten AE (z.B. bei All­er­gien, idio­pa­thi­scher Urti­ka­ria) die häu­fig mit einem Juck­reiz und Quad­del­bil­dung ein­her­ge­hen und Bra­dy­ki­nin-​vermittelte Angioö­de­men bei denen kein Juck­reiz auf­tritt. Bei den zuletzt genann­ten For­men kommt es zu einem Anstieg des Gewebs­hor­mons Bra­dy­ki­nin im Plasma. Zum einen kann dies durch eine gestei­gerte Bra­dy­ki­nin­bil­dung (heredi­tä­res Angioö­dem = HAE) oder durch einen gestör­ten Abbau (Medikamenten-​induziertes Angioö­dem) bedingt sein. Dem HAE liegt in der Regel ein Man­gel an funk­ti­ons­tüch­ti­gem C1-​Esterase-Inhibitor, der die Bra­dy­ki­nin­bil­dung hemmt, zugrunde. Medikamenten-​induzierte AE kom­men als Neben­wir­kung bei­spiels­weise von einer Gruppe von Blutdruck-​ und Herz­me­di­ka­men­ten, den ACE-​Hemmern und Sar­ta­nen vor.

AE tre­ten bevor­zugt im Bereich der Lippe, Zunge, Kehl­kopf, der Gesichts­haut sowie der Extre­mi­tä­ten auf. Wei­ter­hin kön­nen auch innere Organe wie der Darm betrof­fen sein. Wäh­rend AE der Gesichts­weich­teile rela­tiv unpro­ble­ma­tisch sind und auch gastro­in­te­sti­nale For­men nur sel­ten einen schwe­ren Ver­lauf neh­men, kön­nen Mani­fes­ta­tio­nen im Bereich von Zun­gen­grund und Kehl­kopf durch die Ver­le­gung der obe­ren Atem­wege rasch zu einer lebens­be­droh­li­chen Situa­tion eska­lie­ren.

The­ra­pie

Die The­ra­pie der Bradykinin-​induzierten AE unter­schei­det sich grund­le­gend von der all­er­gi­scher Ödeme oder einer Urti­ka­ria. Ent­schei­dend ist die feh­lende oder nur geringe Wirk­sam­keit von Kor­ti­kos­te­ro­iden oder Anti­hist­ami­nika.

Für die Behand­lung des HAE sind in Deutsch­land vier Medi­ka­mente zuge­las­sen. Hier­bei han­delt es sich um die C1-​Esterase-Inhibitor-Konzentrate (C1-INH) Beri­nert®, Cin­ryze® und Ruco­nest®. Beri­nert® und Cin­ryze® wer­den aus huma­nem Plasma gewon­nen. Bei Ruco­nest® han­delt es sich um einen rekom­bi­nan­ten C1-​Esterase-Inhibitor. Beri­nert® und Ruco­nest® sind zur Akut­the­ra­pie in Deutsch­land zuge­las­sen. Beri­nert® gibt es auch als ein Prä­pa­rat, das unter die Bauch­haut, d.h. sub­ku­tan, inji­ziert wird. In die­ser Form wird es vor­beu­gend/ pro­phy­lak­tisch ange­wandt.

Ein wei­te­res sub­ku­tan inji­zier­tes Medi­ka­ment ist der spe­zi­fi­sche Bradykinin-​B2-​Rezeptor-Antagonist Fira­zyr®. Fira­zyr® wird aus einer Fer­tig­spritze sub­ku­tan ver­ab­reicht und ist zur Akut­the­ra­pie des HAEs zuge­las­sen.

Wei­tere zur pro­phy­lak­ti­schen The­ra­pie zuge­las­se­nen Medi­ka­mente sind Cin­ryze® und Takhzyro®. Letz­te­res ist ein Anti­kör­per gegen Plasma-​Kallikrein, wel­ches im Blut­plasma zur Frei­set­zung des Gewebs­hor­mons Bra­dy­ki­nin führt.

Obwohl bekannt ist, dass Bra­dy­ki­nin eine ent­schei­dende Rolle bei der Ent­ste­hung der ACE-​Hemmer indu­zier­ten AE spielt, ist der­zeit keine The­ra­pie ver­füg­bar, wel­che den Ent­ste­hungs­me­cha­nis­mus die­ser Ödeme berück­sich­tigt. Takhzyro® wird alle zwei bis vier Wochen sub­ku­tan appli­ziert und führte im Rah­men von Stu­dien bei einem Groß­teil der Pati­en­ten mit einem heredi­tä­ren Angioö­dem zur Beschwer­de­frei­heit.

Spe­zi­al­sprech­stunde

Wir bie­ten eine Spe­zi­al­sprech­stunde für mög­li­cher­weise betrof­fene Pati­en­ten an. Es wer­den mög­li­che aus­lö­sende Fak­to­ren iden­ti­fi­ziert und eine ent­spre­chende The­ra­pie ein­ge­lei­tet, wel­che durch regel­mä­ßige Kon­troll­un­ter­su­chun­gen lang­fris­tig über­wacht wird. Wei­ter­hin infor­mie­ren wir über die neu­es­ten The­ra­pie­mög­lich­kei­ten. Bitte brin­gen Sie sämt­li­che medi­zi­ni­sche Unter­la­gen wie Medikamenten-​ oder All­er­gie­pass mit.

FAQ's Angioö­dem

Juck­reiz und Quad­del­bil­dung spre­chen eher für eine all­er­gi­sche Krank­heits­ur­sa­che und sind in der Regel keine Sym­ptome eines klas­si­chen Angioö­dems. Wäh­rend sich all­er­gisch bedingte Haut­ver­än­de­run­gen und Schwel­lun­gen durch die Anwen­dung von Kor­ti­son und anti-​allergischen Medi­ka­men­ten häu­fig rasch lin­dern las­sen, reagie­ren Angioö­deme im eigent­li­chen Sinne nicht auf diese The­ra­pie. Im Falle von jucken­den Haut­ver­än­de­run­gen und dem Ver­dacht auf Nah­rungs­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten oder eine Nes­sel­sucht (sog. Urti­ka­ria), sollte vor­ran­gig eine allergologisch-​dermatologische Kli­nik/Ambu­lanz auf­ge­sucht wer­den, um wei­ter­füh­rende Unter­su­chun­gen in die Wege zu lei­ten.

Betrof­fene lei­den in unter­schied­li­chem Aus­maß an plötz­lich auf­tre­ten­den Schwel­lun­gen an ver­schie­de­nen Kör­per­stel­len. Durch Flüs­sig­keits­aus­tritt aus den Blut­ge­fä­ßen in das umlie­gende Gewebe kann es zu Schwel­lun­gen im Bauch­be­reich (ver­bun­den mit star­ken bis zu meh­rer Tage anhal­ten­den Bauch­schmer­zen) , dem Kör­per­stamm und den Extre­mi­tä­ten sowie im Bereich der obe­ren Atem- und Schluck­wege kommen-​ Letz­te­res kann rasch durch eine Ver­le­gung der Atem­wege zu einer lebens­be­droh­li­chen Situa­tion füh­ren. Die Schwel­lun­gen kön­nen meh­rere Tage lang anhal­ten und tre­ten bei Betrof­fe­nen in unter­schied­li­cher Fre­quenz auf. Sie bil­den sich nicht unter einer The­ra­pie mit Kor­ti­son oder anti-​allergischen Medi­ka­men­ten zurück. Die Schwel­lun­gen kön­nen aus hei­te­rem Him­mel auf­tre­ten, jedoch auch durch ver­meint­lich harm­lose medi­zi­ni­sche Maß­nah­men, wie zum Bei­spiel Zahn­be­hand­lun­gen, oder durch Ver­let­zun­gen, indu­ziert wer­den.

Diese Schwel­lun­gen gehen nie mit Juck­reiz oder einer Quad­del­bil­dung ein­her!

Da es sich um eine Erb­krank­heit han­delt, haben häu­fig ein Eltern­teil oder ein Teil der Geschwis­ter ähn­li­che Sym­ptome.

Der Erkran­kung liegt ein Man­gel eines bestimm­ten Eiweiß­stoffs im Blut, dem soge­nann­ten C1-​Esterase-Inhibitor, zugrunde. Ob die­ser Stoff in aus­rei­chen­der Menge im Blut gebil­det wird und eine nor­male Funk­tion auf­weist, kann in einer spe­zi­el­len Labor­un­ter­su­chung geprüft wer­den. Es bedarf ledig­lich der Abnahme weni­ger Mil­li­li­ter Blut. In der Folge wer­den Sie pos­ta­lisch über das Ergeb­nis infor­miert und im Falle von Auf­fäl­lig­kei­ten in einem aus­führ­li­chen per­sön­li­chen Gespräch über die The­ra­pie­op­tio­nen bera­ten. Bei nicht ein­deu­ti­gen Wer­ten muss die Blut­ent­nahme wie­der­holt oder eine Gen­ana­lyse durch­ge­führt wer­den.

Einige Blut­druck­me­di­ka­mente kön­nen eben­falls Schwel­lun­gen aus­lö­sen, die nicht mit einem Juck­reiz oder einer Quad­del­bil­dung ein­her gehen und auch bis zu meh­rer Tage anhal­ten kön­nen. Diese Schwel­lun­gen tret­ten fast aus­schließ­lich im Kopf-​Halsbereich (Zun­gen Rachen, Kehl­kopf) auf und spre­chen auch nicht auf Kor­ti­son oder anti-​allergische Medi­ka­mente an.

Blut­druck­me­di­ka­mente, die diese Schwel­lun­gen aus­lö­sen kön­nen sind so genannte ACE-​Hemmer (ihr Name endet häu­fig auf „-pril") oder so genannte Sar­tane.

Die Schwel­lun­gen tre­ten häu­fig auf, nach­dem Sie das Blut­druck­me­di­ka­ment schon viele Monate bis Jahre ein­ge­nom­men haben.