Schilddrüsenkarzinom

ExpertenInnen

- internistisch

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    Prof. Dr. med. Martin Wagner

    Stellvertretender Ärztlicher Direktor, Klinik für Innere Medizin I

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    Dr. med. Roza Sabia

    Funktionsoberärztin Sektion Endokrinologie, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie

    Schwerpunkte

    Endokrinologie

- chirurgisch

    - nuklearmedizinisch

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      Prof. Dr. Ambros J. Beer

      Ärztlicher Direktor der Klinik für Nuklearmedizin

    Beschreibung der Erkrankung

    Das Schilddrüsenkarzinom ist ein bösartiger Tumor der Schilddrüse. Es ist das häufigste Malignom des endokrinen (hormonellen) Systems, jedoch mit einem Anteil von ca. 1% an allen bösartigen Geschwülsten insgesamt sehr selten.

    Die durch das Schilddrüsenkarzinom bedingte Sterblichkeit sank in den letzten Jahrzehnten als ein Resultat früherer Diagnose, effektiverer Therapiemöglichkeiten und eines abnehmenden Anteils prognostisch ungünstiger Formen.

    Bei den Schilddrüsenkarzinomen unterscheidet man die von den Follikelzellen der Schilddrüse ausgehenden – häufig als differenzierte Tumoren zusammengefassten – papillären (PTC) und follikulären (FTC) Karzinome von den anaplastischen (ATC) und von den parafollikulären Zellen (sog. C- Zellen) ausgehenden medullären Schilddrüsenkarzinomen (MTC).

    Die prozentuale Verteilung der verschiedenen histologischen Typen des Schilddrüsenkarzinoms ist wie folgend: papillär 80-90%, follikulär 5-10%, medullär bis 10% und anaplastisch 3-5%. Extrem selten kommen sogenannte Sarkome, Lymphome und Metastasen der Schilddrüse vor.

    Papilläre Karzinome weisen einen Altersgipfel zwischen dem 35. und 60.Lebensjahr, follikuläre zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Anaplastische Karzinome sind vor dem 40. Lebensjahr selten; der Inzidenzgipfel liegt zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr. Das Alter der Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzinom ist stark variabel; es lässt sich keinen Gipfel in der Altersverteilung erkennen. Geographische und ethnische Unterschiede in der Inzidenzrate vom Schilddrüsenkarzinom sind beschrieben. Unter Inzidenz versteht man die Anzahl der Neuerkrankungen unter bestimmten Kriterien.

    Während die differenzierten Schilddrüsenkarzinome (PCT und FTC) eine sehr gute Prognose mit 10-Jahres-Ueberlebensraten von über 90% haben, gehört das anaplastische Karzinom zu den aggressivsten bösartigen Tumoren. Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom wird durch ein schlechtes Therapieansprechen gekennzeichnet und führt meist in kurzer Zeit zum Tode.

    Ursachen und Risikofaktoren

    Schilddrüsenkarzinome entstehen durch genetische Veränderungen in den Zellen des Schilddrüsengewebes, die zu unkontrolliertem Tumorwachstum und Ausbreitung in benachbarte Strukturen (Infiltration) sowie in entfernte Organe (Metastasen) führen. Der Auslöser dieser genetischen Veränderungen ist in der Mehrzahl der Fäll unbekannt.

    Die Inzidenz des Schilddrüsenkarzinoms steigt mit dem Alter. Das Alter ist des Weiteren ein wichtiger prognostischer Faktor: ein Schilddrüsenkarzinom im jungen Alter (< 20 Jahre) oder bei älteren Menschen (>45 Jahre) ist mit einer schlechteren Prognose verbunden. Das Schilddrüsenkarzinom kommt bei Frauen zweimal so häufig wie bei Männern, aber das männliche Geschlecht ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert.

    Frühere Bestrahlungen der Halsregion (z. B. zur Behandlung einer Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung) erhöhen das Risiko ein Schilddrüsenkarzinom zu entwickeln. Die Zeitspanne zwischen Exposition und Diagnose des Schilddrüsenkarzinoms beträgt zwischen fünf und 30 Jahre.

    Nach Strahlenunfällen wie zum Beispiel der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 ist die Häufigkeit der Schilddrüsenkarzinome vor allem bei Kindern um etwa den Faktor 30 angestiegen.

    Ein Jodmangel kann die Entstehung von differenzierten Schilddrüsenkarzinomen insbesondere des follikulären Karzinoms begünstigen. Durch eine verbesserte Jodzufuhr zum Beispiel durch vermehrte Jodaufnahme mit der Nahrung, Einnahme von Jodtabletten oder durch Jodierung des Speisesalzes konnte ein Rückgang der anaplastischen Schilddrüsenkarzinome verzeichnet werden.

    Eine Besonderheit der Schilddrüsenkarzinome ist das häufige Auftreten als erbliches (familiäres) Karzinom. So sind annähernd 5% (papilläre/follikuläre Karzinome) bis 30% (medulläres Karzinom) aller Fälle auf eine familiäre Form des Schilddrüsenkarzinoms zurückzuführen, die einer speziellen Behandlung und Nachsorge bedürfen.

    Als Ursache des familiären medullären Schilddrüsenkarzinoms konnten Mutationen des RET-Tumorgens identifiziert werden. Die RET-Gendiagnostik besitzt bei diesem Tumor eine herausragende Rolle, einerseits für die Behandlung und Nachsorge betroffener Patienten, andererseits für die Beratung, Diagnostik und (falls erforderlich) auch für die vorbeugende Therapie von betroffenen Familienmitgliedern.

    Krankheitszeichen

    Schilddrüsenkarzinome können am Hals bei vielen Patienten als derbe, meist schmerzlose Knoten getastet werden, sofern sie eine bestimmte Größe (meist >2 cm) erreicht haben. Besonders verdächtig für ein Karzinom ist die rasche Größenzunahme. Auch ein derber, tastbarer Halslymphknoten kann Ausdruck eines bereits metastasierten (meist papillären) Schilddrüsenkarzinoms sein. Neu aufgetretene Schluckstörungen und Heiserkeit können auf ein fortgeschrittenes Karzinom hinweisen.

    In vielen Fällen weisen betroffene Patienten dagegen keine typischen Krankheitszeichen auf, so dass die Diagnose oft nach einer Ultraschalluntersuchung und Schilddrüsenoperation gestellt wird.

    Untersuchungen

    Anamnese

    Ausgangspunkt der Diagnostik des Schilddrüsenkarzinoms ist die genaue Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Besondere Aufmerksamkeit wird auf mögliche Bestrahlungen der Halsregion sowie auf die genaue Familiengeschichte gelegt. Abfrage der sog. B- Symptomatik gehört ebenso zur Komplettierung des Anamnesegesprächs.

    Körperlicher Untersuchungsbefund

    Nur größere Tumoren im Bereich der Schilddrüse und der Halsregion können in der Regel gut getastet werden. Typisch für das Schilddrüsenkarzinom sind derbe, schmerzlose Knoten.

    Laboruntersuchungen

    Serummarker erlauben den Nachweis einer residualen oder rezidivierenden Erkrankung, wobei die Bestimmung von Thyreoglobulin beim PTC und FTC und die des Calcitonins beim MTC eingesetzt werden. Zur Beurteilung der Schilddrüsenfunktion werden die Hormome TSH sowie fT3 und fT4 (als freies Hormon) im Blut bestimmt.

    Bei einem Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist die Bestimmung der Schilddrüsenantikörper (TAK, TRAK und TPO) notwendig.

    Das Calcitonin im Blut ist ein sehr empfindlicher und spezifischer Marker für das medulläre Schilddrüsenkarzinom. Calcitonin sollte bei jedem nachgewiesenen Schilddrüsenknoten mindestens einmal bestimmt werden, um diese Tumorform auszuschließen. Auch in der Nachsorge des medullären Karzinoms ist Calcitonin der wichtigste Parameter.

    Nach einer durchgeführten kompletten Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie) und Radiojodtherapie wird regelmäßig die Bestimmung des Thyreoglobulins durchgeführt, um ein Wiederauftreten von malignen Schilddrüsenzellen zu erkennen.

    Weitere Blutuntersuchungen (Blutbild, Mineralhaushalt, Nieren- und Leberwerte) sind regelmäßiger Bestandteil der Tumornachsorge.

    Sonographie

    Die Sonographie (Ultraschall) der Schilddrüse ist die Basisuntersuchung und heutzutage als Leitmethode in der Schilddrüsendiagnostik zu sehen. Sie ist bei allen vermuteten oder nachgewiesenen Knoten, Vergrößerungen oder Funktionsstörungen der Schilddrüse angezeigt. Als einfaches, schnelles und wenig belastendes Verfahren (wichtig: keine Strahlenbelastung) eignet sich die Sonographie vor allem zum Screening, zur Verlaufskontrolle und zur Nachsorge.

    Die Elastographie (Messung der Elastizität des Gewebes) ist als neueres bildgebendes Verfahren eine Weiterentwicklung der Ultraschalldiagnostik. Analog zur manuellen Palpation (Untersuchung durch Betasten) nutzt die Elastographie die Tatsache, dass Tumorgewebe häufig anders komprimierbar (fester, derber) ist als gesundes Gewebe.

    Szintigraphie

    Bei sonographisch nachgewiesenen Schilddrüsenknoten ab einer Größe von 1 cm ist die Schilddrüsenszintigraphie empfohlen. Die Szintigraphie ergänzt als primär funktionsorientiertes Verfahren die morphologische (strukturelle) Information von Schilddrüsenknoten.

    Aufgrund des Speicherverhaltens des hierbei eingesetzten radioaktiven Markers (Technetium oder Jod) können nichtspeichernde ("kalte") Knoten identifiziert werden, die eine höhere Karzinomwahrscheinlichkeit besitzen und daher einer weiteren Abklärung bedürfen.

    Feinnadelaspirationsbiopsie

    Bei der sog. Feinnadelpunktion/Feinnadelaspirationsbiopsie können Schilddrüsenknoten unter Ultraschallkontrolle mittels einer dünnen Nadel punktiert werden. Die mikroskopische Untersuchung der hierbei gewonnenen Zellen kann Hinweise geben, ob möglicherweise ein bösartiger (maligner) Tumor vorliegt. Bei Nachweis von sicher oder fraglich malignen Zellen besteht die unmittelbare Notwendigkeit zur Operation der Schilddrüse.

    Klassifikation und Stadieneinteilung

    Bei den bösartigen Tumoren der Schilddrüse können aufgrund von feingeweblichen (histologischen) Merkmalen vier Hauptformen des Karzinoms unterschieden werden, die sich auch hinsichtlich ihres natürlichen Verlaufes, ihrer Therapie und ihrer Prognose voneinander unterscheiden.

     

    Karzinomtyp

    Relative
    Häufigkeit

    Auftreten

    Prognose

    Besonderheiten

    Papillär

    50-80%

    gesamtes Alter

    sehr gut

    Sonderform: Mikrokarzinom

    Follikulär

    20-40%

    mittleres/höheres Alter

    gut

     

    Medullär

    4-10%

    gesamtes Alter

    gut/mittel

    Marker: Calcitonin

    Anaplastisch

    1-2%

    höheres Alter

    sehr schlecht

    rasches Wachstum

    Tabelle 1 Histologische Klassifikation der Schilddrüsenkarzinome

     

    Je nach Größe und Ausbreitung werden die Schilddrüsenkarzinome nach dem TNM System (UICC 2010) klassifiziert. Kriterien sind hierbei die Tumorgröße in cm und die Ausbreitung in benachbarte Strukturen (T), das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen (N) oder Fernmetastasen (M).

    Papilläre, follikuläre, medulläre Karzinome

    T1

    <2cm, begrenzt auf die Schilddrüse

    T1a<= 1cm, begrenzt auf die Schilddrüse
    T1b>1-2 cm, begrenzt auf die Schilddrüse

    T2

    >2-4 cm, begrenzt auf die Schilddrüse

    T3

    >4 cm oder minimale Ausbreitung jenseits der Schilddrüse

    T4a

    Ausbreitung in Subcutis, Larynx, Trachea, Ösophagus, N. recurrens

    T4b

    Prävertebrale Faszie, mediastinale Gefässe, A. carotis

     

     

    Anaplastisches/undifferenziertes Karzinom

    T4a

    begrenzt auf die Schilddrüse

    T4b

    Ausbreitung jenseits der Schilddrüsenkapsel

      

    Alle Typen

    N0keine regionären Lympknotenmetastasen
    N1regionäre Lymphknotenmetastasen

    N1a

    Lymphknotenbefall zentral (Level VI)

    N1b

    Lymphknotenbefall unilateral, bilateral oder kontralateral zervikal oder retropharyngenal oder mediastinal

     

     

    M0

    keine Fernmetastasen

    M1

    Fernmetastasen

    Tabelle 2 TNM Klassifikation der Schilddrüsenkarzinome

     

    In der klinischen Praxis ist außerdem eine Stadieneinteilung der Schilddrüsenkarzinome weit verbreitet, die auf der TNM Klassifikation, dem Patientenalter und dem histologischen (feingeweblichen) Typ beruht. Die Mehrzahl aller Patienten befindet sich bei Diagnosestellung erfreulicherweise in den prognostisch günstigen Stadien I und II. Bei den prognostisch ungünstigeren Stadien III und IV liegt entweder ein sehr großer Tumor (>4cm), Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasen vor. Anaplastische Karzinome werden aufgrund der sehr schlechten Prognose generell als Stadium IV eingestuft.

    Papilläre/follikuläre (Alter 45 Jahre und mehr)

    Stadium I

    T1a, T1b

    N0

    M0

    Stadium II

    T2

    N0

    M0

    Stadium III

    T3

    T1, T2,.T3

    N0

    N1a

    M0

    M0

    Stadium IVA

    T1, T2, T3

    T4a

    N1b

    N0, N1

    M0

    M0

    Stadium IVB

    T4b

    jedes N

    M0

    Stadium IVC

    jedes T

    jedes N

    M1

    Papilläre/follikuläre SD Karzinome (Alter unter 45 Jahre)

    Stadium I

    jedes T

    jedes N

    M0

    Stadium II

    jedes T

    jedes N

    M1

    Medulläre SD Karzinome

    Stadium I

    T1a, T1b

    N0

    M0

    Stadium II

    T2, T3

    N0

    M0

    Stadium III

    T1, T2,.T3

    N1a

    M0

    Stadium IVA

    T1, T2, T3

    T4a

    N1b

    jedes N

    M0

    M0

    Stadium IVB

    T4b

    jedes N

    M0

    Stadium IVC

    jedes T

    jedes N

    M1

    Medulläre SD Karzinome

    Stadium I

    T1a, T1b

    N0

    M0

    Stadium II

    T2, T3

    N0

    M0

    Stadium III

    T1, T2,.T3

    N1a

    M0

    Stadium IVA

    T1, T2, T3

    T4a

    N1b

    jedes N

    M0

    M0

    Stadium IVB

    T4b

    jedes N

    M0

    Stadium IVC

    jedes T

    jedes N

    M1

    Anaplastische SD Karzinome

    alle Fälle sind Stadium IV

    Tabelle 3 Stadieneinteilung der Schilddrüsenkarzinome

    Eine Sonderstellung nimmt das papilläre Mikrokarzinom (Größe ≤ 10 mm) ein, welches häufig als Zufallsbefund nach Schilddrüsenoperationen aus anderer Veranlassung diagnostiziert wird. Die Prognose des papillären Mikrokarzinoms ist sehr günstig, so dass die Patienten nach vollständiger chirurgischer Tumorentfernung nahezu immer eine altersentsprechend normale Lebenserwartung besitzen. Zufällig bei der histologischen Aufarbeitung von Schilddrüsenoperationspräparaten entdeckte einherdige und auf die Schilddrüse begrenzte Mikrokarzinome bedürfen nach der derzeit gültigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie keiner weiteren Therapie.

    Behandlungsmöglichkeiten

    Schilddrüsenoperation

    Bei gesicherter oder wahrscheinlicher Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms ist die chirurgische Therapie in Form einer totalen Organentfernung (Thyreoidektomie) mit Lymphknotenentfernung die Therapie der Wahl. Alle differenzierten Schilddrüsenkarzinome sollten chirurgisch entfernt werden. Neben der Entfernung des Primärtumors erlaubt die Operation eine genaue histologische Diagnose und Stadieneinteilung. Auch der Lymphknotenbefall kann während der Operation beurteilt und die betroffenen Lymphknoten entfernt werden. Die Operationsstrategie hängt wesentlich von dem Tumortyp und dem Stadium der Erkrankung ab und sollte immer individuell mit dem Patienten besprochen werden.

    Radiojodtherapie

    Bei den follikulären und papillären Schilddrüsenkarzinomen erfolgt im Anschluss an die Operation nach 4-6 Wochen eine 131I Radiojodtherapie. Ziel dieser Behandlung ist die selektive Zerstörung verbleibender Schilddrüsen(tumor)zellen sowie ggf. vorhandener Metastasen. Eine Ausnahme stellt das papilläre Mikrokarzinom dar, bei dem wegen der sehr günstigen Prognose auf eine Radiojodtherapie verzichtet werden kann, sofern der Tumor komplett chirurgisch entfernt wurde.

    Die Radiojodtherapie ist ebenfalls Behandlung der Wahl, wenn im Rahmen der Tumornachsorge Metastasen nachgewiesen werden.

    Medulläre und anaplastische Schilddrüsenkarzinome weisen keine Jodspeicherung auf und eignen sich daher nicht zur Radiojodtherapie.

    Externe Strahlentherapie (Perkutane Strahlentherapie)

    Die Primärtherapie differenzierter Schilddrüsenkarzinome mittels Operation und Radiojodtherapie führt zu lang anhaltenden Remissionen (dauerhaftes oder temporäres Nachlassen von Krankheitssymptomen). Bei regelmäßiger Nachsorge sind auch Lokalrezidive (Rückfälle) und Fernmetastasen (Absiedlungen) durch entsprechende Maßnahmen gut behandelbar, sodass die Prognose insgesamt auch ohne zusätzliche Bestrahlung im Anschluss an Operation und Radiojodtherapie als gut zu bezeichnen ist. Unter Umständen können Patienten mit ungünstigen Prognoseparametern und sehr hohem Rezidivrisiko jedoch von einer perkutanen (externen) Bestrahlungstherapie profitieren. Es wird immer eine Einzelfall-Entscheidung zusammen mit dem Patienten getroffen. Bei verbliebenem großem Tumorrest oder mangelndem Therapieansprechen kann zur Linderung von lokalen Beschwerden oder Komplikationen ebenfalls eine perkutane Strahlentherapie sinnvoll sein.

    Systemische medikamentöse Therapie

    In einem Großteil der Fälle sprechen differenzierte Schilddrüsenkarzinome sehr gut auf die Radiojodbehandlung an. Ein Progress nach Radiojodtherapie ist mit einem Verlust der Fähigkeit zur Jodaufnahme verbunden. In dieser Situation stellt sich die Frage nach einer anderweitigen systemischen Therapie. Der erwartete therapeutische Vorteil muss gegenüber des medikamentösen Nebenwirkungsprofils erwogen werden. Aktuell stehen die folgenden Therapiemöglichkeiten zur Verfügung: Multi-Tyrosinkinasehemmer (z. B. Sorafenib), zytotoxische Chemotherapie (Doxorubicin, Cisplatin) und Radio-Immuno-und Rezeptortherapie (Y-90-DOTATOC).

    Ergänzende medikamentöse Therapie (TSH Suppressionstherapie)

    Nach chirurgischer Entfernung oder Radiojodtherapie der Schilddrüse ist generell eine lebenslange Einnahme des Schilddrüsenhormonpräparats Levothyroxin erforderlich. Da die meisten Tumoren noch TSH-empfindlich sind, ist die TSH-suppressive Therapie mit Levothyroxin eine der Hauptsäulen in der Behandlung des Schilddrüsenkarzinoms. Obwohl eine TSH Suppression einen eindeutigen therapeutischen Nutzen bringt, gibt es keine prospektiven Studien zur Festlegung des optimalen Bereichs der TSH Unterdrückung. Ein vernünftiges Behandlungsziel ist, TSH soweit wie möglich zu supprimieren ohne Symptome einer Überfunktion zu verursachen. Die Levothyroxindosis wird bei follikulären und papillären Schilddrüsenkarzinomen so hoch gewählt, dass eine vollständige Suppression von TSH, d.h. eine Absenkung unter den Referenzbereich, vorliegt. Beim medullären Schilddrüsenkarzinom erfolgt die Levothyroxingabe ausschließlich zur Hormonsubstitution, wofür in der Regel eine niedrigere Dosierung ausreichend ist.

    Vorbeugende Schilddrüsenentfernung (prophylaktische Thyreoidektomie)

    Im seltenen Falle eines erblichen medullären Schilddrüsenkarzinoms mit Nachweis einer RET-Genmutation sollte eine genetische Familienuntersuchung erfolgen. Bei Familienmitgliedern, die ebenfalls eine Mutation aufweisen, beträgt das Karzinomrisiko über 90%, so dass bei diesen Individuen eine prophylaktische Schilddrüsenentfernung empfohlen wird. Die Operation erfolgt idealerweise im Kindesalter und ist nach bisherigen Erfahrungen mit einer hohen klinischen Erfolgsrate verbunden.

    Bei den nicht-medullären Schilddrüsenkarzinomen wird eine prophylaktische Thyreoidektomie allgemein nicht empfohlen.

    Prognose

    Die bösartigen Neubildungen der Schilddrüse haben in den meisten Fällen - abhängig von der Histologie, dem Alter des Patienten und dem Tumorstadium - eine gute Prognose. Je differenzierter das Karzinom ist, das heißt je ähnlicher die entarteten Drüsenzellen den gesunden Zellen sind, desto größer sind die Heilungschancen. Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom hat dagegen eine sehr schlechte Prognose. Eine konsequente Nachsorge beim Schilddrüsenkarzinom ist grundsätzlich wichtig.