Kolonkarzinom

- internistisch

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    Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein

    Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I (Speiseröhre, Magen, Darm, Leber und Niere sowie Stoffwechselerkrankungen) und Sprecher des Darmzentrums

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    Dr. med. Thomas J. Ettrich

    Oberarzt, Leiter Schwerpunkt GI-Onkologie, Leiter des klinischen Studienzentrums GI-Onkologie

    Schwerpunkte

    Gastrointestinale Onkologie, Klinische Studien

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    Dr. med. Angelika Kestler

    Funktionsoberärztin, Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie, Palliativmedizin, Ärztliche Referentin für GI-Onkologie am CCCU

    Schwerpunkte

    Gastrointestinale Onkologie, Privatambulanz Prof. Seufferlein

- chirurgisch

  • Profilbild von Prof. Dr. med. Nuh Rahbari, MHBA

    Prof. Dr. med. Nuh Rahbari, MHBA

    Ärztlicher Direktor

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    Prof. Dr. med. Marko Kornmann

    Stellv. Ärztlicher Direktor/ Koordinator Viszeral-Onkologisches Zentrum

    Schwerpunkte

    Bereichsleitung Bauchspeicheldrüsen-, Magen- und Speiseröhrenchirurgie

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    Priv.-Doz. Dr. med. Benjamin Müssle, M.Sc.

    Schwerpunkte

    Bereichsleitung Darmchirurgie

- radioonkologisch

Beschreibung der Erkrankung

Darmkrebs ist die häufigste Krebserkrankung im Gastrointestinaltrakt. Als Kolonkarzinom bezeichnet man bösartige Tumore des Dickdarms.

Häufigkeit und Erkrankungsalter

Bösartige Darmtumoren machen etwa 14% aller bösartigen Neubildungen beim Erwachsenen aus. Jährlich erkranken in Deutschland ca. 27.000 Männer und 30.000 Frauen an Karzinomen des Dickdarms.

Es ist das dritthäufigste Karzinom bei Männern und das zeithäufigste bei Frauen. Das Kolonkarzinom ist mit einem mittleren Erkrankungsalter von knapp 70 Jahren überwiegend eine Erkrankung des höheren Lebensalters, insbesondere nach dem 50. Lebensjahr nimmt es deutlich zu.

Die überwiegende Mehrzahl der bösartigen Tumore im Darm entsteht im Dickdarm, dem sogenannten Kolon. Etwa 95% aller Darmtumoren sind Karzinome (auch als Kolonkarzinom oder Adenokarzinom des Dickdarms bezeichnet). Bei den übrigen 5% handelt es sich um neuroendokrine Tumoren, Plattenepithelkarzinome, Lymphome und kleinzellige Karzinome.

Kolonkarzinome entwickeln sich meist aus Polypen der Dickdarmschleimhaut. Etwa 64% der Karzinome finden sich im Sigma (= Krummdarm) und im Rektum (=Enddarm), 20% im linken Kolon, 6% im transversen Kolon und etwa 10% im rechseitigen Kolon.

Ursachen und Risikofaktoren

Die meisten Kolonkarzinome entstehen aus Polypen im Rahmen einer sogenannten Adenom-Karzinom Sequenz im Laufe von 5-10 Jahren. Daneben gibt es familiäre Syndrome mit erhöhtem Karzinomrisiko, die etwa 5-6% der kolorektalen Karzinome ausmachen.

Exogen (äußere Einflüsse): Geringe körperliche Aktivität, Übergewicht, eventuell Ernährungsfaktoren (rotes Fleisch, Alkoholkonsum)

Endogen (innere Einflüsse): Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, kolorektale intraepitheliale Neoplasien = Adenome

Genetisch (erblich bedingt): Positive Familienanamnese (Verwandte 1. Grades mit kolorektalem Karzinom (KRK) oder Adenomen), hereditäre (vererbte) Krebssyndrome.

Krankheitszeichen

In der Regel verursachen Kolonkarzinome im Frühstadium selten Beschwerden und werden deshalb meistens zufällig entdeckt. Gelegentlich treten Bauchschmerzen, Darmbeschwerden oder ständige Abgeschlagenheit auf. Oft stecken hinter diesen Beschwerden aber harmlose Ursachen. Wird im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung mittels Stuhltest okkultes Blut im Stuhl gefunden, führt dies zur Durchführung einer Darmspiegelung, die die Diagnose des Dickdarmkrebses ergeben kann. Auch sichtbares Blut im Stuhl oder eine Schwarzverfärbung des Stuhls können Hinweis auf eine Darmkrebserkrankung sein.

Untersuchungen

 Falls der Verdacht auf ein Kolonkarzinom besteht, sind verschiedene Untersuchungen nötig, z. B. die körperliche Untersuchung, Laboruntersuchungen (Blut), die Ultraschalluntersuchung, die Darmspiegelung und die Computertomographie (CT). Gegebenenfalls müssen auch noch weitere Untersuchungen wie Röntgenuntersuchung, Kernspintomographie (MRT), oder eine Skelettszintigraphie eingesetzt werden.

Anamnese und körperliche Untersuchung 

In einem ausführlichen Gespräch werden alle Beschwerden und Vorerkrankungen (auch familiäre Erbkrankheiten) erfragt und dokumentiert. Anschließend wird eine gründliche körperliche Untersuchung vorgenommen.

Laboruntersuchungen 

Ihr Blut und Urin werden analysiert. Die Blutuntersuchungen geben Aufschluss über den Allgemeinzustand und bestimmte Organfunktionen des Patienten. Veränderungen im Blut wie Blutarmut, Veränderung der Bluteiweiße, Erhöhung bestimmter Enzyme oder eine erhöhte Blutkörperchensenkung sind evtl. Hinweise auf eine Tumorerkrankung. Ein Tumormarker für das Kolonkarzinom ist das sogenannte CEA. Dieser Marker ist vor allem für die Verlaufskontrolle einer Darmkrebserkrankung wichtig. Ein nach einer Darmkrebsoperation normaler und im Verlauf erhöhter CEA Wert weist auf ein Wiederauftreten (Rezidiv) der Darmkrebserkrankung hin.

Ultraschalluntersuchung (Sonographie) 

Die Sonographie ist eine schmerzlose und strahlungsfreie Untersuchung zur Feststellung von Absiedelungen des Darmkrebses in der Leber oder in Lymphknoten im Bauchraum.

Darmspiegelung (Koloskopie) 

Die Darmspiegelung wird durchgeführt, um der Ursache von Beschwerden im Bauchraum nachzugehen oder bei Blutarmut oder Blut im Stuhl eine mögliche Blutungsquelle im Darm zu finden. Bei dieser Untersuchung können auch Biopsien aus auffälligen Bereichen der Darmschleimhaut entnommen und der Dickdarmtumor so eindeutig festgestellt werden.

CT-Kolonographie ("virtuelle Koloskopie") 

Computertomographie (CT) 

Die Computertomographie ist eine schmerzlose, spezielle Röntgenuntersuchung (mit Kontrastmittelgabe), die den Körper Schicht für Schicht durchleuchtet. Dadurch kann in der Regel die Größe des Tumors und die genaue Tumorausbreitung und eventuell bestehende Metastasen, z.B. in der Leber, Lunge oder den Lymphknoten, festgestellt werden.

Kernspintomographie (MRT=Magnetresonanztomographie) 

Die MRT ist keine Röntgenuntersuchung, sondern beruht auf Magnetfeldwirkungen. Diese Untersuchung wird allerdings nur in Ausnahmefällen durchgeführt, z.B. bei Kontrastmittelunverträglichkeit oder eingeschränkter Nierenfunktion, manchmal ergänzend zur Computertomographie.

Skelettszintigraphie (Knochenszintigraphie) 

Durch Gabe einer geringen Menge radioaktiver Substanz in die Blutbahn können Tumorabsiedlungen in den Knochen dargestellt werden. Eine Spezialkamera erkennt die im erkrankten Knochen radioaktiv angereicherten Bereiche. Es handelt sich hierbei um eine schonende Untersuchung, bei der die Strahlung rasch abklingt.

Klassifikation und Stadieneinteilung

Um die am besten geeignete Therapie bestimmen zu können, muss vor Therapiebeginn durch die beschriebene Diagnostik genau festgestellt werden, wie weit sich der Tumor ausgebreitet hat, das heißt das Tumorstadium wird ermittelt. Hierfür verwendet man unter anderem die TNM-Klassifikation (siehe Tabelle unten).

T steht für die Größe und Ausdehnung des Primärtumors, N steht für die Anzahl der befallenen regionären Lymphknoten und M steht für das Auftreten und die Lokalisation von Fernmetastasen (Tumorabsiedlungen).

TNM Kolonkarzinome  

Tx

 

Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0

 

Kein Anhalt für Primärtumor

Tis

 

Carcinoma in situ

T1

 

Tumor infiltriert die Submukosa

T2

 

Tumor infiltriert die Muscularis propria

T3

 

Tumor infiltriert die M. propria in die Subserosa oder
in nicht peritonealisiertes perikolonisches oder perirektales Gewebe

T4

 

Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen
und/oder perforiert das viszerale Peritoneum

   

NX

 

Benachbarte (regionäre) Lymphknoten sind nicht beurteilbar

N0

 

Kein Anhalt für benachbarte Lymphknotenmetastasen
(mindestens 12 Lymphknoten wurden untersucht)

N1

 

Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten

N2

 

Metastasen in 4 oder mehr regionären Lymphknoten

   

MX

 

Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden

M0

 

Kein Anhalt für Fernmetastasen

M1

 

Fernmetastasen treten am häufigsten in Leber, Lunge
und Lymphknoten, seltener im Gehirn und im Skelett auf.

 

Eine genaue Beurteilung des TNM-Stadiums ist häufig erst nach der Tumoroperation möglich.
Zwei weitere Kriterien sind für die weitere Therapie entscheidend. Die mikroskopische Untersuchung des Tumorgewebes gibt Hinweise auf die Bösartigkeit des Tumors. Hierbei wird die Ähnlichkeit der Krebszellen mit den Organzellen verglichen (siehe Tabelle unten).

Zellähnlichkeit = GRADING

GX

Präparat feingeweblich nicht beurteilbar

G1

Hochdifferenzierter Tumor

G2

Mäßig differenzierter Tumor

G3-4

Schlecht differenzierter/undifferenzierter Tumor


Zum Anderen ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Tumor vollständig entfernt werden konnte. Hierzu dient die sogenannte R-Klassifikation (siehe Tabelle unten). 

R = Residualtumor (Resttumor nach OP)

RX

Residualtumor kann nicht bestimmt werden

R0

Kein Residualtumor

R1

Mikroskopisch nachgewiesener Residualtumor

R2

Sichtbarer Residualtumor

 

Zur stadiengerechten Therapiestratifizierung von Patienten mit Darmkrebs wird die UICC Klassifikation herangezogen. Zusätzlich gibt es auch die Dukes-Klassifikation:

UICC 2010

TNM-System

Stadium 0

Tis

N0

M0

Stadium I

T1/T2

N0

M0

Stadium IIA

T3

N0

M0

Stadium IIB/C

T4a/T4b

N0

M0

Stadium III

Jedes T

N1,N2

M0

Stadium IV

Jedes T

Jedes N

M1

Behandlungsmöglichkeiten

Die Therapiemethoden sind vom Tumorstadium abhängig. Je früher ein Dickdarmkrebs erkannt wird, umso günstiger ist die Prognose für den Patienten. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, ob sich der Tumor in andere Organe ausgebreitet hat, also ob und in wie vielen Organen Metastasen vorliegen. Ferner ist wichtig, wie viele Metastasen im betroffenen Organ zu finden sind.

Kurative (heilende) Operation

Eine Heilung ist in der Regel nur für die früheren Tumorstadien durch chirurgische Therapie möglich. In der Regel wird eine en bloc-Resektion (Entfernung im Ganzen) des tumor-tragenden Darmabschnitts und des regionalen Lymphabflussgebietes durchgeführt. Die Letalität (Sterberate) dieser Operation liegt auch bei älteren Patienten unter 3%. Bei Komplikationen wie Darmverschluss (Ileus) und Durchbruch des Tumors (Tumorperforation) etc. muss das chirurgische Verfahren angepasst werden z.B. als erweiterte en-bloc Resektion. Eine lokale chirurgische Tumorentfernung (Exzision) oder endoskopische Resektion ist nur im Frühstadium (pT1, G1-G2 ohne Lymphgefäßinfiltration und bei vollständiger Entfernung im Gesunden) angezeigt. Die kurative Resektion einzelner Fernmetastasen bzw. auf einen Leberlappen beschränkter Lebermetastasen kann diskutiert werden und sollte wenn möglich durchgeführt werden, da so die Prognose deutlich gebessert werden kann.

Palliative (symptombezogen lindernde) Operation

Bei ca. 25% aller Dickdarmkrebspatienten liegt bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Lymphknoten- oder Fernmetastasierung vor. Bei verlegenden (obstruierenden) Karzinomen ohne Möglichkeit der kompletten Resektion wird eine Umgehungsanastomose bzw. ein künstlicher Darmausgang (Anus-praeter-Anlage) durchgeführt, wenn eine komplette Resektion des Tumors nicht möglich ist.

Metastasenchirurgie und spezielle lokal ablative Verfahren

Die kurative Resektion solitärer Fernmetastasen bzw. auf einen Leberlappen beschränkter Lebermetastasen ist heute Standard. Hierdurch können Beschwerden reduziert und die Überlebenszeit verlängert werden.

Sekundäre Resektion nach Chemotherapie

Auch wenn die Größe oder Lage der Metastasen eine primäre Operation nicht zulässt, kann durch eine Chemotherapie in bestimmten Fällen eine Verkleinerung der Metastasen erreicht werden. Durch die hohen Ansprechraten der Kombinationschemotherapien (> 50%; s.u.) werden ca. 20%-30% der Metastasen sekundär entfernbar (resektabel). Bei partiellen Remissionen muss in jedem Fall rechtzeitig die Resektabilität geprüft werden, solange noch Metastasen erkennbar sind.

Lokal ablative (abtragende) Verfahren

Lokal ablative Verfahren wie Radiofrequenzablation oder Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) sind bei solitären Fernmetastasen ähnlich wirksam wie die chirurgische Therapie.

Palliativ-endoskopische Verfahren

Bei verengenden (stenosierenden) Kolonkarzinomen kann, wenn eine Operation nicht möglich ist, eventuell mittels endoskopischer Verfahren die Passage wiederhergestellt werden. In Frage kommen dazu Verfahren wie Erweiterung (Dilatation), Argon-Plasma-Koagulation, Kältetherapie (Kryotherapie) und Lasertherapie sowie die Implantation eines Metallgitterstents.

Chemotherapie

Zytostatika sollen schnell wachsende Tumorzellen im Körper abtöten. Die stadienab-hängige adjuvante (postoperative) und lindernde Chemotherapie ist anerkannter Bestandteil der Behandlung von Kolonkarzinomen. Durch die Einführung neuer Chemotherapeutika wurden in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte erzielt. Durch die Einführung von Antikörpern und sogenannten small molecules, die den Effekt von tumorspezifischen Wachstumsfaktoren (z.B. vom epidermalen Wachstumsfaktor (EGF)) oder angiogenetischen Zytokinen (vaskulärer Wachstumsfaktor (VEGF)) blockieren, können in Kombination mit Chemotherapie weitere Verbesserungen der Therapie erzielt werden.

Eine systemische Chemotherapie sollte frühzeitig eingeleitet werden. Die Therapie kann bei Erfolg auch unterbrochen werden und wird bei Tumorprogress wieder aufgenommen. Ob eine echte Pause oder eine leichtere Chemotherapie in der „Pause“ erfolgt wird individuell mit den Patienten besprochen. Am Uniklinikum stehen für viele Tumorarten innovative Therapiemöglichkeiten im Rahmen von Studien zur verfügung. Wir sind stets bemüht durch aktuelle Studien die Therapie der Patienten zu verbessern.
Aktuelle Studien finden sie hier LINK.


Palliative Strahlentherapie

Kolonkarzinome reagieren relativ strahlenunempfindlich. Aus diesem Grund wird die Strahlentherapie fast nur im fortgeschrittenen Stadium zur Schmerzlinderung insbesondere bei Knochenmetastasen eingesetzt.

Krankheitsverlauf

Falls ein Rezidiv (Wiederauftreten des Tumors im ehemaligen Tumorgebiet) auftritt, sollte dieses nach Möglichkeit operativ entfernt werden. Haben sich zusätzlich Metastasen gebildet oder der Rezidivtumor ist zu groß (Verwachsen mit anderen Organen), muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob eine Operation oder eine andere Therapie sinnvoll erscheint. Bei einem weit fortgeschrittenen Stadium kann eine palliative (symptombezogen lindernd) und supportive (unterstützende) Behandlung durchgeführt werden.