Johanniskraut – die sanfte Alternative bei Depression?

Studie testet Wirksamkeit von Johanniskraut bei depressiven Kindern und Jugendlichen

Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Zu ihrer Behandlung setzen Ärzte in Deutschland häufig Johanniskraut ein. „Man hat aber bis heute noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen, ob Johanniskraut depressiven Kindern und Jugendlichen wirklich hilft, während seine Wirkung bei Depressionen von Erwachsenen vergleichsweise gut erforscht und auch bestätigt ist“, sagt PD Dr. Michael Kölch, leitender Oberarzt am Universitätsklinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Ulm.  Im Rahmen einer Studie will die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie dieser Frage nachgehen und untersuchen, ob Johanniskraut bei Depressionen von Kindern und Jugendlichen wirksam ist oder nicht. Sie verspricht sich davon auch  wichtige Erkenntnisse über Therapiemöglichkeiten bei Depressionen von Minderjährigen im Allgemeinen. Dafür sucht die Klinik noch Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen zwischen 12 und 17 Jahren mit einer diagnostizierten leichten bis mittelschweren Depression. Die Johanniskraut-Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Summe von 1,2 Millionen Euro gefördert.

 

Depression ist Forschungsschwerpunkt

Die Studie zur „Depressionsbehandlung bei Minderjährigen mit Johanniskraut“, kurz DEMIJO, ist ein Baustein in einer Reihe zahlreicher Projekte der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „In der Erforschung von Diagnostik und Therapie von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen liegt ein klinischer Forschungsschwerpunkt unseres Hauses. Wir haben viel  Erfahrung in diesem Bereich, von der die Studienteilnehmer profitieren können“, unterstreicht Michael Kölch. Teilnehmen können an der Johanniskraut-Studie aber keineswegs nur Jugendliche aus Ulm und Umgebung. Verschiedene Studienzentren in der gesamten Bundesrepublik führen die Studie unter Ulmer Federführung mit speziell dafür geschultem Personal durch. Dies ermöglicht beispielsweise auch Jugendlichen aus Heidelberg, Mainz, Würzburg oder Bonn, an der Studie teilzunehmen.

 

Johanniskraut muss besser als Placebo sein

Eine Hälfte der Studienteilnehmer erhält ein Johanniskrautpräparat, das in der Behandlung von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zur Anwendung kommt, die andere Hälfte bekommt ein Placebo, also ein Präparat ohne Wirkstoff. „Auch Placebos können erwiesenermaßen eine positive Wirkung bei Depressionen haben. Um also herauszufinden, ob Johanniskraut ein wirksames Mittel bei Depressionen von Heranwachsenden ist, muss man untersuchen, wie es im Vergleich zum Placebo wirkt. Ist es besser, ist die Wirksamkeit von Johanniskraut erwiesen“, erläutert Dr. Kölch. „Man darf dabei aber nicht das in der Depressionstherapie verwendete Johanniskraut-Präparat mit dem Tee oder vielen Kapseln verwechseln, die man in der Drogerie kaufen kann. Diese sind sehr viel niedriger dosiert“, betont Dr. Alexander Schneider, der an Organisation und Durchführung der Studie beteiligt ist.

 

Aufklärung und Betreuung werden großgeschrieben

Die Studiendauer beträgt zwölf Wochen, in denen die Kinder und Jugendlichen allein oder in Begleitung ihrer Eltern einmal wöchentlich, teils persönlich, teils telefonisch, anhand von Fragebögen interviewt  werden. „Die Fragen drehen sich zum Beispiel darum, wie der Teilnehmer sich fühlt, ob er Veränderungen im Vergleich zum vorigen Termin feststellen kann, und – das ist bei Depressionen sehr wichtig – ob er Selbstmordgedanken hat oder nicht mehr hat“, sagt Dr. Schneider. In regelmäßigen Abständen werden bei den Terminen außerdem bestimmte medizinische Untersuchungen durchgeführt. Vor und nach Beginn der Studie erhält jeder einen vollständigen Gesundheitscheck. Alle teilnehmenden Jugendlichen können während der Studie zudem ihre kinder- und jugendpsychiatrische Standardtherapie bestehend aus unterstützenden Gesprächen und Beratung fortführen.

Die durchführenden Ärzte legen großen Wert auf einen engen Kontakt mit den Studienteilnehmern und den Erziehungsberechtigten, sowie auf eine umfassende Aufklärung: „In einem ausgiebigen Vorgespräch gehen wir jeden wichtigen Punkt gemeinsam durch. Es ist uns sehr wichtig, dass alle Beteiligten gut informiert sind. Dafür nehmen wir uns gerne Zeit. Die Teilnahme an der Studie ist natürlich jederzeit freiwillig. Das heißt, jeder kann auch wieder abspringen, wenn er oder sie es sich während der Studie doch anders überlegt.  Für aussagekräftige Ergebnisse sollten allerdings möglichst viele Patienten an der Studie ganz teilgenommen haben“, so Studienarzt Schneider.  „Denn nur so können wir endlich klären, ob Johanniskraut tatsächlich einen Nutzen für depressive Kinder und Jugendliche hat“, ergänzt Studienleiter Dr. Michael Kölch.

 

Auf frühes Eingreifen kommt es an

Doch wie kann es eigentlich sein, dass man bis heute nicht weiß, ob Johanniskraut bei depressiven Kindern und Jugendlichen wirklich helfen kann?

Dies liegt zum einen daran, dass für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel der Beweis ausreicht, dass eine schädigende Wirkung ausgeschlossen ist. Ob das Präparat auch einen positiven Nutzen hat, muss nicht nachgewiesen werden. Zudem sind Kinder generell „gesünder“ als Erwachsene und erkranken daher auch seltener als sie an Depressionen. Das erschwert die Durchführung von Studien. Außerdem sind Depressionen insbesondere bei Jugendlichen nicht immer leicht zu erkennen. „In der Pubertät ziehen sich viele Jugendliche zurück und haben gehäuft schlechte Laune. Weitere klassische Symptome wie Leistungsabfall in der Schule oder Schlafstörungen können, müssen aber nicht für eine Depression sprechen. Eltern kommen häufig nicht auf den Gedanken, dass ihr Kind auch an einer Depression leiden könnte“, sagt Dr. Michael Kölch und fügt hinzu: „Bei ADHS, umgangssprachlich auch Zappel-Philipp-Syndrom genannt, liegen die Dinge etwas einfacher: Es ist relativ leicht zu erkennen, hat eindeutige, differenzierbare Symptome und bleibt meist auf einem ähnlichen Niveau, während Depressionen meist schwankend verlaufen.“

Dabei ist es geradebei Kindern und Jugendlichen wichtig, dass Depressionen erkannt und behandelt werden. „Zwar verschwinden depressive Verstimmungen bei Kindern und Jugendlichen oftmals innerhalb eines Jahres wieder, manchmal bleiben sie aber dauerhaft. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, möglichst frühzeitig einzugreifen. Dafür sollten wir dringend wissen, ob Johanniskraut eine wirkliche Alternative zu chemischen Psychopharmaka darstellt.“

 

 

Weitere Informationen:

 

Die Teilnahme an der Studie ist für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einer leichten bis mittelschweren Depression möglich. Betroffene Familien können sich bei Interesse an einer Studienteilnahme bei der Institutsambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie melden.

Telefon: 0731-500 61636

 

 

Die unten angehängten Bilder zeigen PD Dr. Michael Kölch, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Bild 1), sowie Studienarzt Dr. Alexander Schneider (Bild 2) (Fotos UK Ulm). Gerne helfen wir Ihnen bei der Organisation von Interviews oder Dreharbeiten

 

Fotos und Grafiken sind nur für die Presseberichterstattung über das in dieser Information mitgeteilte Ereignis freigegeben.