Hilfe für Opfer von Gewalt­ver­bre­chen

Zuneh­mende Vor­stel­lun­gen in der Gewalt­op­feram­bu­lanz am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm

Wer durch ein Gewalt­ver­bre­chen einen kör­per­li­chen Scha­den erlit­ten hat, fin­det in der Gewalt­op­feram­bu­lanz des Insti­tuts für Rechts­me­di­zin am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm (UKU) eine ver­trau­li­che Anlauf­stelle. Die Ambu­lanz wurde 2021 eröff­net, um Men­schen, die Opfer von Gewalt gewor­den sind, die Mög­lich­keit zu bie­ten, nie­der­schwel­lig Ver­let­zun­gen doku­men­tie­ren und Spu­ren sichern zu las­sen. Dabei geht es auch um eine gerichts­ver­wert­bare Beweis­si­che­rung. Die Anzahl an Unter­su­chun­gen pro Jahr, ins­be­son­dere auch von Kin­dern, wächst seit­dem ste­tig.

„Men­schen, die zu uns kom­men, ver­spü­ren oft­mals Scham oder Angst dar­über, gewalt­same oder sexu­elle Über­griffe anzu­zei­gen, vor allem, wenn diese inner­halb der Fami­lie oder Bezie­hung statt­fin­den“, so Anna Mül­ler, Lei­te­rin der Gewalt­op­feram­bu­lanz. „Wir bie­ten den Opfern eine unbü­ro­kra­ti­sche und schnelle Hilfe an, sichern alle Spu­ren und doku­men­tie­ren Ver­let­zun­gen gerichts­ver­wert­bar. Ohne Betei­li­gung der Poli­zei“, so die Rechts­me­di­zi­ne­rin. Bei Bedarf, zum Bei­spiel im Falle einer spä­te­ren Gerichts­ver­hand­lung, kön­nen die erho­be­nen Befunde als Beweis­mit­tel für die Tat ver­wen­det wer­den. Die Ent­schei­dung, ob oder wann ein Über­griff ange­zeigt wird, liegt jedoch gänz­lich bei den Betrof­fe­nen, denn die Rechts­me­di­zi­ner*innen der Gewalt­op­feram­bu­lanz unter­lie­gen der ärzt­li­chen Schwei­ge­pflicht. Im Jahr 2022 waren 167 Fälle in der Ambu­lanz vor­stel­lig, im ers­ten Halb­jahr 2023 sind es bereits 95.

Neben den rechts­me­di­zi­ni­schen, kör­per­li­chen Unter­su­chun­gen umfasst das Auf­ga­ben­feld der Gewalt­op­feram­bu­lanz Ulm auch tele­fo­ni­sche Bera­tun­gen, rechts­me­di­zi­ni­sche kon­si­lia­ri­sche Bera­tun­gen, die Beglei­tung von Ärz­tin­nen und Ärz­ten ande­rer Fach­ab­tei­lun­gen sowie Unter­su­chun­gen im Rah­men der weib­li­chen Geni­tal­ver­stüm­me­lung (FGM/C= female geni­tal muti­la­tion and cut­ting). Eine beson­dere Stel­lung nimmt der medi­zi­ni­sche Kin­der­schutz in Zusam­men­ar­beit mit der Kin­der­schutz­gruppe am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm ein. „Erschre­ckend ist die zuneh­mende Anzahl an Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen, die bei uns vor­ge­stellt wer­den“, sagt Prof. Dr. Sebas­tian Kunz, Ärzt­li­cher Direk­tor des Insti­tuts für Rechts­me­di­zin am UKU. Dabei gehe es oft­mals um mit­er­lebte Gewalt zwi­schen den Eltern oder eines Eltern­teils und neuen Part­ner*innen, aber auch über selbst erlebte phy­si­sche Gewalt gegen­über den Kin­dern und Jugend­li­chen. „In knapp zwei Drit­teln der Gesamt­fälle aus dem Jahr 2022 waren die Geschä­dig­ten min­der­jäh­rig, mehr als 90 Pro­zent davon waren unter 13 Jahre alt“, so Prof. Kunz. Die Ver­mitt­lung der Unter­su­chungs­stelle erfolgt oft­mals über die Kin­der­schutz­gruppe der Kli­nik für Kinder-​ und Jugend­me­di­zin am UKU, aber auch über das Jugend­amt, Ärz­tin­nen, Ärzte und Kli­ni­ken im Umkreis, offi­zi­elle Bera­tungs­stel­len für Geschä­digte oder Frau­en­häu­ser, das Bun­des­amt für Migra­tion sowie über Ange­hö­rige und Fami­lie. Viele Betrof­fene mel­den sich auch selb­stän­dig.

Einen wei­te­ren gro­ßen Schwer­punkt inner­halb der Vor­stel­lun­gen in der Ambu­lanz stellt Partnerschafts-​ bzw. häus­li­che Gewalt dar. Der Groß­teil der unter­such­ten Per­so­nen nach häus­li­cher Gewalt ist weib­lich. Der Anteil der unter­such­ten Män­ner nach häus­li­cher Gewalt ist deut­lich klei­ner, nimmt jedoch zu.

Alle Unter­su­chun­gen in der Gewalt­op­feram­bu­lanz die­nen allein der Doku­men­ta­tion der Ver­let­zun­gen und des berich­te­ten Tat­ge­sche­hens und kön­nen von Betrof­fe­nen kos­ten­los in Anspruch genom­men wer­den. Eine rechts­me­di­zi­ni­sche Beur­tei­lung kann bei Bedarf in Form eines Gut­ach­tens nach­träg­lich kos­ten­pflich­tig ange­for­dert wer­den.

„Als Rechts­me­di­zi­ne­rin­nen und Rechts­me­di­zi­ner sind wir dar­auf spe­zia­li­siert, Ver­let­zun­gen durch äußere Gewalt­ein­wir­kung zu doku­men­tie­ren und zu beur­tei­len“, so Prof. Kunz. „Des­halb sehen wir es als unsere Auf­gabe an, den Betrof­fe­nen eine ver­trau­ens­volle, gut­ach­ter­lich ver­wert­bare und foto­gra­fi­sche Doku­men­ta­tion der Ver­let­zun­gen zu ermög­li­chen und damit eine Lücke in der Ver­sor­gung der Geschä­dig­ten zu schlie­ßen.“

Blaues Auge

Quelle: Pix­a­bay