Ärztestreiks treffen vor allem die Patienten

Mediziner haben nicht nur Macht, sondern auch Verantwortung

 

Nach bislang insgesamt fünf gescheiterten Verhandlungsrunden hat der Marburger Bund (MB), die Gewerkschaft und Ständevertretung für Mediziner in Deutschland, ab Montag, 7. November, einen unbefristeten Ärztestreik angekündigt, von dem bundesweit rund zwei Dutzend Universitätsklinika betroffen wären. Zuvor hatte der Marburger Bund alle weiteren Tarifverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) abgebrochen.

„Von außen betrachtet muss – nach dem bisherigen Verhandlungsverlauf zu urteilen – eine Einigung ohne Streik möglich sein“, sagt Rainer Schoppik, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Ulm, der darauf hinweist, dass die betroffen Universitätsklinika selbst nicht am Verhandlungstisch sitzen. „Sollte es ab Montag, 7. November, doch zu Streikmaßnahmen kommen, haben unsere Patientinnen und Patienten oberste Priorität. Wir werden alles tun, um ihre berechtigten Interessen zu schützen“, so Schoppik.

 

Voraussicht und Verantwortung

Um Belastungen für Patienten und Angehörige möglichst gering zu halten, finden zurzeit enge Absprachen zwischen den jeweiligen Klinikleitungen und dem ärztlichen Personal statt. Das zentrale Ziel: Medizinisch dringend notwendige Behandlungen und Operationen sollen auch im Falle eines Streiks durchgeführt werden können. Lediglich bereits geplante Eingriffe, deren Ausfall keine unmittelbare Bedrohung für Gesundheit und Leben bedeuten, müssten im Streikfall verschoben werden. „Patienten, die in der kommenden Woche einen Termin in einem unserer Häuser haben, sollten zeitnah Kontakt mit der entsprechenden Klinik aufnehmen“, rät der Kaufmännische Direktor und ergänzt: „Auch zuweisende Ärzte werden gebeten, frühzeitig Rücksprache zu halten, damit es nicht zu unnötigen Belastungen für Patienten kommt.“

 

Was wird verhandelt?

Bei den Verhandlungen geht es um den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 27. August 2009, in dem das Entgelt und andere zentrale Rahmenbedingungen geregelt sind. Neben einer linearen Erhöhung der Gehaltstabelle und weitreichenden strukturellen Veränderungen im Tarifgefüge sind jedoch nur wenige Themen Gegenstand der vom Marburger Bund einseitig abgebrochenen Verhandlungen. Im Oktober hatten sich in einer Urabstimmung 94,7 % der Ärzte für den Arbeitskampf entschieden.

 

Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?

Vergleicht man bisher veröffentlichte Pressemitteilungen von TdL und MB, so sind durchaus unterschiedliche Darstellungen darüber zu finden, wie weit man sich vor dem Verhandlungsabbruch eigentlich angenähert hatte. Die Aussagen reichen von „völlig überhöhten Forderungen des Marburger Bundes von insgesamt fast 10%“ (Pressemitteilung TdL Nr. 4 vom 21.10.2011), bis hin zur Einschätzung der Gegenseite, dass noch nicht einmal ein voller Inflationsausgleich in Aussicht gestellt werde (Pressemitteilung Marburger Bund 48/11 vom 21.10.2011).

 

Wenn die Kostenfalle zuschnappt

Unabhängig von diesen Verlautbarungen ist für das Universitätsklinikum Ulm ein Punkt von zentraler Bedeutung: Ein zu hoher Abschluss würde die Kostenfalle weiter zuschnappen lassen. Die Schere zwischen der im deutschen Gesundheitssystem vorgesehenen Krankenhausvergütung und den Kosten, die für Personal, Energie und den medizinischen Bedarf anfallen, ginge dann noch weiter auseinander. Die seit Jahren währende dramatische Unterfinanzierung würde sich weiter verschärfen. „Die baden-württembergischen Universitätsklinika dürfen kein Fall für die Intensivstation werden“, appelliert Rainer Schoppik. Er ruft beide Parteien zur Rückkehr an den Verhandlungstisch und einer „von wirtschaftlicher und strategischer Vernunft“ getragenen Einigung auf, von der die deutsche Universitätsmedizin in ihrer Gesamtheit profitiere. Rainer Schoppik abschließend: „Jeder Streik geht zu Lasten von Patienten. Hier gilt es unbedingt Schaden abzuwenden. Mediziner haben nicht nur Macht, sondern auch Verantwortung.“

 

 

Hinweis

Sollte es in der kommenden Woche zu Streikmaßnahmen kommen, informieren wir Sie gerne über den jeweils aktuellen Stand bzw. vermitteln Gesprächspartner und/oder unterstützen Sie bei Dreharbeiten o.Ä. Nehmen Sie Kontakt zu uns unter der Rufnummer 0731 500-43043 auf.

 

Fotos und Grafiken sind nur für die Presseberichterstattung über das in dieser Information mitgeteilte Ereignis freigegeben.

 

Arzttasche (Foto: UK Ulm)

Arzttasche (Foto: UK Ulm)