Es geht auch ohne Ampu­ta­tion

Neu­ro­sti­mu­la­tion als letz­ter Aus­weg bei der „Schau­fens­ter­krank­heit“

 

„Schau­fens­ter­krank­heit“: Ein zunächst eher harm­los klin­gen­der Begriff, der den medi­zi­ni­schen Laien viel­leicht an ein regel­mä­ßig etwas zu über­mü­ti­ges Kon­sum­ver­hal­ten beim Shop­ping den­ken lässt, das auf Dauer nicht mit der Größe des eige­nen Geld­beu­tels zu ver­ein­ba­ren ist. Tat­säch­lich han­delt es sich aber um eine bestimmte Phase der peri­phe­ren arte­ri­el­len Ver­schluss­krank­heit, also um eine Stö­rung der Durch­blu­tung der Extre­mi­tä­ten, die im Laufe der Zeit zu dau­er­haf­ten Schmer­zen ins­be­son­dere in den Bei­nen, zu Ampu­ta­tio­nen und in letz­ter Kon­se­quenz zum Tode füh­ren kann. Dr. Gun­ter Lang, Ober­arzt in der Kli­nik für Herz-, Thorax-​ und Gefäß­chir­ur­gie (Ärzt­li­cher Direk­tor Prof. Dr. Andreas Lie­bold) des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Ulm, bie­tet vor die­sem Hin­ter­grund als letz­ten mög­li­chen Aus­weg die so genannte Neu­ro­sti­mu­la­tion zur Behand­lung von the­ra­pie­re­sis­ten­ten Bein­schmer­zen und Durch­blu­tungs­stö­run­gen an. Ein Ver­fah­ren, das in der Region Ulm bis­lang ein­ma­lig ist.

 

Abster­ben des Gewe­bes im vier­ten Sta­dium

„Schät­zun­gen gehen davon aus, dass allein in Deutsch­land rund 4,5 Mil­lio­nen Men­schen von die­ser sich schlei­chend ent­wi­ckeln­den Arte­ri­en­ver­kal­kung betrof­fen sind“, erläu­tert Dr. Lang und ergänzt: „Im Anfangs­sta­dium füh­ren die Durch­blu­tungs­stö­run­gen sehr häu­fig zu einem Schwere-​ und Käl­te­ge­fühl in den Bei­nen. Dann kom­men krampf­ar­tige Schmer­zen in der bean­spruch­ten Mus­ku­la­tur hinzu, die sich ins­be­son­dere beim Gehen bemerk­bar machen. Ent­las­tung bie­tet dann nur das Ste­hen­blei­ben vor z.B. Schau­fens­tern, auch um nach außen hin Schmer­zen und damit ver­bun­de­nes Hin­ken zu kaschie­ren – daher der Begriff Schau­fens­ter­krank­heit. Im drit­ten Sta­dium schließ­lich ver­spü­ren die Betrof­fe­nen in Ruhe vor allem nachts starke Schmer­zen, die im vier­ten Sta­dium von einem Abster­ben des Gewe­bes beglei­tet wer­den.“

 

Was kann die Neu­ro­sti­mu­la­tion leis­ten?

Wenn, bei­spiels­weise nach einer ent­spre­chen­den Bild geben­den Gefäß­dar­stel­lung (Angio­gra­phie) fest­steht, dass trotz bereits erfolg­ter medi­ka­men­tö­ser und ope­ra­ti­ver Behand­lung eine wei­tere Ver­schlech­te­rung der Durch­blu­tung ein­ge­tre­ten ist und der dau­er­hafte Schmerz mit begin­nen­den Abster­ben des Bei­nes nicht mehr in den Griff zu bekom­men ist, kann die Neu­ro­sti­mu­la­tion über das Rücken­mark die letzte Alter­na­tive sein: „Wir plat­zie­ren dann in der Wir­bel­säule, also zwi­schen den Wir­beln und dem eigent­li­chen Wir­bel­ka­nal, eine kleine Sonde “, beschreibt Dr. Lang das bei die­ser Erkran­kung inno­va­tive Ver­fah­ren. „Diese Sonde gibt stän­dig elek­tri­sche Impulse an das Rücken­mark ab, die schließ­lich im Gehirn für eine Über­la­ge­rung der kör­per­ei­ge­nen Schmerz­si­gnale sor­gen.“ Aus Erfah­rungs­be­rich­ten sei­ner Pati­en­ten weiß Dr. Lang, dass diese sehr schnell nach der Ope­ra­tion ein „meist ange­neh­mes Krib­beln“ ver­spü­ren. Warum diese The­ra­pie so gut funk­tio­niert, kann jedoch auch der Ober­arzt nicht abschlie­ßend erklä­ren: „Hier muss die Wis­sen­schaft noch Ant­wor­ten geben. Sehr wahr­schein­lich ist aber, dass die elek­tri­schen Impulse eine lokale Frei­set­zung von kör­per­ei­ge­nen bio­che­mi­schen Boten­stof­fen aus­lö­sen. Im Ergeb­nis wei­ten sich die Gefäße und füh­ren zu einer bes­se­ren Haut­durch­blu­tung, die letzt­lich der chro­ni­schen Unter­ver­sor­gung der Bein­mus­ku­la­tur ent­ge­gen­wirkt.“

 

Mehr Lebens­qua­li­tät errei­chen

Das Fazit von Dr. Lang: „Andau­ernde Schmer­zen beein­flus­sen die Lebens­qua­li­tät sehr sehr stark. Die Neu­ro­sti­mu­la­tion kann hier Abhilfe schaf­fen, eine Ampu­ta­tion kann in vie­len Fäl­len ver­mie­den wer­den. Sie ist ein inno­va­ti­ver Bau­stein in der Behand­lung eines ansons­ten the­ra­pie­re­sis­ten­ten Krank­heits­sta­di­ums. Zu beach­ten ist jedoch stets, dass Pati­en­ten, bei denen die peri­phere arte­ri­elle Ver­schluss­krank­heit dia­gnos­ti­ziert wurde, gene­rell auch ein erhöh­tes Risiko für einen Schlag­an­fall oder Herz­in­farkt haben. Oft­mals sind näm­lich nicht nur die Arte­rien der Beine ver­engt, son­dern auch die hirn- und herz­ver­sor­gen­den Gefäße.“

 

Wei­tere Infor­ma­tio­nen:

Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, die abklä­ren möch­ten, ob für sie eine Neu­ro­sti­mu­la­tion in Frage kommt, kön­nen sich gerne unter der Ruf­num­mer 0731 500-54020 an die Kli­nik für Herz-, Thorax-​ und Gefäß­chir­ur­gie des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Ulm wen­den.

 

Das ope­ra­tive Pro­ze­dere glie­dert sich in zwei Pha­sen:

Zuerst erfolgt unter ört­li­cher Betäu­bung und mit­hilfe Bild geben­der Ver­fah­ren die Plat­zie­rung der Elek­trode im Rücken­marks­ka­nal. In der dar­auf fol­gen­den etwa zehn­tä­gi­gen Test­phase über­prüft der Pati­ent die Effek­ti­vi­tät der Sti­mu­la­tion im Ruhe­zu­stand und unter Belas­tung. Im Fall einer posi­ti­ven Ein­schät­zung von Pati­ent und behan­deln­dem Arzt wird in einem zwei­ten klei­nen Ein­griff ein Impuls­ge­ne­ra­tor, der am ehes­ten mit einem Herz­schritt­ma­cher zu ver­glei­chen ist, dau­er­haft unter die Haut implan­tiert (am Bauch oder der Flanke).

 

Als Haupt­ri­si­ko­fak­to­ren für die Ent­ste­hung einer Arte­ri­en­ver­kal­kung (Arte­rio­skle­rose) gel­ten u.a.:

  • Rau­chen
  • Blut­hoch­druck
  • Dia­be­tes
  • Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen

 

Gerne ver­mit­teln wir Ihnen Gesprächs­part­ner. Auch die Kon­takt­her­stel­lung zu Pati­en­ten, denen mit­tels Neu­ro­sti­mu­la­tion gehol­fen wer­den konnte, ist mög­lich.

 

Das unten ange­hängte Bild zeigt Dr. Gun­ter Lang (Foto: Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm).

 

Fotos und Gra­fi­ken sind nur für die Pres­se­be­richt­erstat­tung über das in die­ser Infor­ma­tion mit­ge­teilte Ereig­nis frei­ge­ge­ben.

Dr. Gunter Lang (Foto: Universitätsklinikum Ulm)

Dr. Gun­ter Lang (Foto: Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm)