Großer Erfolg für die Ulmer Traumaforschung: Der 2014 bewilligte Sonderforschungsbereich 1149 „Gefahrenantwort, Störfaktoren und regeneratives Potenzial nach akutem Trauma“ wird für weitere vier Jahre gefördert. In diesem Zeitraum unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Ulmer Traumatologie mit Fördergeldern von rund 10,6 Millionen Euro. Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben, an dem 19 Kliniken und Institute der Ulmer Universitätsmedizin beteiligt sind, ist hochrelevant: Rund acht Millionen Deutsche erleiden jedes Jahr ein Trauma und verursachen so geschätzte 30 Milliarden Euro Gesundheitskosten – Arbeitsausfälle eingerechnet. Bei jüngeren Menschen unter 45 Jahren gelten traumatische Verletzungen, die oft durch Verkehrsunfälle verursacht werden, aber auch beispielsweise im Kriegsgeschehen oder bei Terroranschlägen entstehen, als häufigste Todesursache.
Übergeordnetes Ziel des nun verlängerten Sonderforschungsbereichs (SFB) ist ein grundlegendes Verständnis traumatischer Verletzungen bis auf die molekulare und zelluläre Ebene: Im Falle eines Traumas löst die Zerstörung von Gewebe und Zellbarrieren eine sofortige Aktivierung verschiedener Abwehrsysteme aus. Diese akute Gefahrenantwort stößt im Körper von Traumapatienten Regenerations- sowie Heilungsprozesse an. Dabei kann es jedoch auch zu massiven Komplikationen kommen. Im Mittelpunkt des nun verlängerten Trauma-SFBs stehen Reaktionen auf die häufigsten Verletzungsmuster – insbesondere auf der molekularen Ebene – sowie die Forschung zu Störfaktoren im Heilungsprozess. Ausgehend von einem tiefgreifenden Verständnis dieser Vorgänge wollen die Forschenden neuartige Therapien entwickeln und so Schwerstverletzten zurück ins Leben helfen. Dabei haben sie auch das komplexe Zusammenspiel körperlicher und seelischer Verletzungen im Blick.
„Der Vorstand und die Mitglieder des SFB 1149 freuen sich außerordentlich über die Verlängerung des Sonderforschungsbereichs. Die erneute Bewilligung ist das Resultat unserer Erfolge der vergangenen vier Jahre. Die Bewilligung bestätigt aber auch unsere strategische Ausrichtung mit der Integration des Psychotraumas in den SFB sowie mit einem hohen Anteil an Wissenschaftlerinnen in Schlüsselpositionen. Die Traumaforschung bleibt damit weiterhin einer der Leuchttürme an der Universität Ulm“, sagt SFB-Sprecher Professor Florian Gebhard, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, zu der positiven Nachricht.
Bisherige Erfolge in der Traumaforschung
Bereits in der ersten Förderphase haben die SFB-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wichtige Forschungsergebnisse erarbeitet. Beispielsweise konnten sie individuelle Störfaktoren bei der Traumaantwort von Patienten identifizieren: So beeinflussen Übergewicht und Diabetes, die vermehrt bei Rauchern auftretende Lungenkrankheit COPD sowie etwa Gefäßerkrankungen körperliche Reaktionen auf schwere Verletzungen negativ.
Weiterhin wird im SFB das regenerative Potenzial von Stammzellen beforscht, die einen positiven Einfluss auf die Immunantwort bei schweren Verletzungen haben und zu einer schnelleren Regeneration beitragen können. Bei schlecht heilenden Knochenbrüchen haben Ulmer Forschende bereits erfolgreich so genannte mesenchymale Stammzellen eingesetzt. Darüber hinaus ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, für die Traumaforschung bedeutende molekulare Mechanismen aufzudecken.
Das Forschungsumfeld an der Ulmer Universität und Universitätsklinik ist hervorragend. Traditionell hat die Traumaforschung in der grundlagenorientierten Wissenschaft sowie in der klinischen und translationalen Forschung einen hohen Stellenwert. Der nun verlängerte Sonderforschungsbereich ist in das 2015 gegründete Zentrum für Traumaforschung (ZTF) eingebettet, in dem insbesondere auch seelische Verletzungen und ihr Zusammenhang mit körperlichen Traumata untersucht werden. Insgesamt arbeiten in der Ulmer Traumaforschung Disziplinen eng zusammen, die auf den ersten Blick weit voneinander entfernt zu sein scheinen, wie die Unfallchirurgie, Biochemie oder Psychiatrie.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die enge Kooperation mit der Internationalen Graduiertenschule für Molekulare Medizin: „Teil unseres Erfolgs ist sicher auch, dass wir in der ersten Förderperiode etliche junge Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen, auch aus dem klinischen Bereich, für die Traumaforschung begeistern und erfolgreich in den SFB integrieren konnten. Ihre Projektideen haben erheblich dazu beigetragen, das Gutachtergremium zu überzeugen. Mit diesem exzellenten Forscherteam sind wir gut aufgestellt für die künftigen Jahre“, sagt die stellvertretende SFB-Sprecherin Professorin Anita Ignatius, Leiterin des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik.
Mit neuen Schwerpunkten in die zweite Förderphase
Neue Schwerpunkte, die in der zweiten Förderphase zusätzlich im SFB beforscht werden, umfassen unter anderem Funktionsstörungen des Herzens nach Trauma, molekulare Veränderungen der Stützzellen im Gehirn bei unterschiedlichen Verletzungsmustern sowie die Auswirkungen von häufigen Begleiterkrankungen auf die Stressantwort. Ein besonderer Ulmer Schwerpunkt bleibt die Aufklärung des Zusammenwirkens von Körper und Psyche nach traumatischen Verletzungen. Diese Forschungsergebnisse sollen einer möglichen dritten Förderphase den Weg bereiten, in der die Auswirkungen traumatischer Verletzungen über die gesamte Lebensspanne hinweg sowie auf die folgenden Generationen untersucht werden. „Die Fortführung des SFB ist insbesondere auch motivierend für unsere klinisch arbeitenden SFB-Mitglieder, die den Transfer der Traumaforschung von der Klinik ins Labor und zurück zum Patienten ermöglichen“, betont der stellvertretende SFB-Sprecher Professor Markus Huber-Lang, Leiter des Instituts für Klinische und Experimentelle Trauma-Immunologie.
Insgesamt sind derzeit vier Sonderforschungsbereiche an der Universität Ulm angesiedelt. Zu dem Erfolg der Traumaforscher sagt Universitätspräsident Professor Michael Weber: „Die exzellente Forschung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Trauma-Sonderforschungsbereich hat die Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft erneut überzeugt. Für die Ulmer Universitätsmedizin ist die Verlängerung des Trauma-SFBs eine hervorragende Nachricht: Weiterhin wird auf höchstem Niveau in diesem gesellschaftlich wichtigen Bereich geforscht. Denn traumatische Verletzungen können Menschen jedes Alters aus dem Leben reißen, weshalb der Suche nach wirksamen Therapien für körperliche und seelische Verletzungen ein hoher Stellenwert zukommt.“
Text und Medienkontakt: Annika Bingmann