Com­pu­ter­si­mu­la­tion ermög­licht Pro­gnose des Hei­lungs­ver­laufs von Kno­chen­brü­chen

Soft­ware iden­ti­fi­ziert Ursa­chen von Kom­pli­ka­tio­nen, bevor Pati­ent*innen von Sym­pto­men betrof­fen sind und erlaubt zukünf­tig eine opti­male Frak­tur­ver­sor­gung

Bei fünf bis zehn Pro­zent der Pati­ent*innen, die einen Kno­chen­bruch erlei­den, ver­läuft die Hei­lung nicht ohne Kom­pli­ka­tio­nen. In Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie ist es daher von gro­ßer Bedeu­tung, Kom­pli­ka­tio­nen bei der Frak­tur­hei­lung früh­zei­tig zu erken­nen. Im Rah­men einer Stu­die am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm (UKU) ermög­lichte nun eine neu­ar­tige Com­pu­ter­si­mu­la­tion, den Hei­lungs­ver­lauf für eine opti­male Frak­tur­ver­sor­gung vor­aus­zu­sa­gen. Durch den Ver­gleich von Simu­la­ti­ons­er­geb­nis­sen mit den tat­säch­li­chen Hei­lungs­ver­läu­fen der Pati­ent*innen konn­ten wert­volle Erkennt­nisse für die Wei­ter­ent­wick­lung des Hei­lungs­mo­dells gewon­nen wer­den sowie dar­über, ob eine pati­en­ten­spe­zi­fi­sche Pro­gnose der Kno­chen­hei­lung mög­lich ist. Durch­ge­führt wurde die Stu­die von einem Pro­jekt­team aus Wis­sen­schaft­ler*innen und Ärzt*innen der uni­ver­si­tä­ren Aus­grün­dung der Uni Ulm „OSORA Medi­cal Frac­ture Ana­ly­tics“ und der Kli­nik für Unfall-​, Hand-, Plas­ti­sche und Wie­der­her­stel­lung­s­chir­ur­gie des UKU.

Für die Simu­la­tion wur­den die kli­ni­schen Daten von 36 Pati­ent*innen rück­bli­ckend ana­ly­siert. Diese hat­ten sich einen Schaft­bruch des Ober­schen­kel­kno­chens zuge­zo­gen, der durch die Implan­ta­tion von Mark­nä­geln ver­sorgt wor­den war. Mit­hilfe von post­ope­ra­ti­ven Daten konnte die Com­pu­ter­si­mu­la­tion das Hei­lungs­er­geb­nis von 30 Fäl­len kor­rekt vor­her­sa­gen. „Bis­he­rige Stu­dien zum Ulmer Frak­tur­hei­lungs­mo­dell basier­ten auf Daten aus Tier­ver­su­chen oder aus Ver­su­chen unter Labor­be­din­gun­gen. Die Koope­ra­tion mit dem UKU hat es uns nun ermög­licht, das Hei­lungs­mo­dell erst­ma­lig mit kli­ni­schen Daten zu tes­ten. So konn­ten wir den Pro­to­ty­pen des Soft­ware­tools wei­ter­ent­wi­ckeln“, sagt Dr. Lucas Engel­hardt von OSORA. „Das Hei­lungs­mo­dell ist nicht nur in der Lage, Infor­ma­tio­nen zu erfolg­rei­chen Hei­lungs­ver­läu­fen zu gene­rie­ren. Es wird ebenso zukünf­tig mög­lich sein, das Risiko für Kom­pli­ka­tio­nen bis hin zu Pseu­do­ar­thro­sen – also knö­cher­nen Fehl­hei­lun­gen – zu kal­ku­lie­ren“, ergänzt Dr. Frank Nie­meyer, eben­falls von OSORA. Unter Berück­sich­ti­gung von pati­en­ten­in­di­vi­du­el­len Para­me­tern, wie Größe und Gewicht, und Begleit­erkran­kun­gen, wie Osteo­po­rose oder Adi­po­si­tas, kön­nen dann Behand­lungs­wege für jeden Pati­en­ten und jede Pati­en­tin indi­vi­du­ell erstellt wer­den. Die Simu­la­tion unter­stützt so die ärzt­li­che Exper­tise durch Infor­ma­tio­nen zur Belas­tungs­fä­hig­keit des Kno­chens wäh­rend der Hei­lung.  

Ledig­lich in sechs Fäl­len – von denen zwei Kno­chen­brü­che geheilt und vier nicht geheilt waren – war die Pro­gnose der Com­pu­ter­si­mu­la­tion nicht kor­rekt. „Jeder Pati­ent heilt anders, jede Frak­tur hat ihre Beson­der­hei­ten. Wir kön­nen aus den Daten ablei­ten, warum die Simu­la­tion in die­sen Fäl­len nicht den rea­len Frak­tur­hei­lungs­ver­lauf abbil­det, um neben der Bio­me­cha­nik wei­tere Ein­flüsse auf das Kno­chen­wachs­tum im Modell mit zu berück­sich­ti­gen. Diese Infor­ma­tio­nen sind für die wei­tere Ent­wick­lung unse­rer Soft­ware­platt­form von größ­ter Bedeu­tung, um die Prä­zi­sion der Vor­her­sage kon­ti­nu­ier­lich zu erhö­hen“, erklärt Dr. Lucas Engel­hardt.
„Die chir­ur­gi­sche Ver­sor­gung von Frak­tu­ren durch Osteo­syn­these – also die ope­ra­tive Ver­bin­dung von zwei oder mehr Kno­chen oder Kno­chen­frag­men­ten – ist ein ele­men­ta­rer Bau­stein in der The­ra­pie unse­rer Pati­en­ten. Je frü­her Ein­fluss­fak­to­ren erkannt wer­den, die den Hei­lungs­er­folg gefähr­den, desto mehr Spiel­raum hat der behan­delnde Arzt für Anpas­sun­gen des The­ra­pie­plans. Mit der bio­me­cha­ni­schen Ana­lyse und Simu­la­tion des Hei­lungs­ver­laufs kann zukünf­tig ein wei­te­res Hilfs­mit­tel die Behand­lungs­mög­lich­kei­ten ergän­zen und Ärz­tin­nen und Ärzte unter­stüt­zen“, so PD. Dr. med. Kon­rad Schütze, Ober­arzt an der Kli­nik für Unfall-​, Hand-, Plas­ti­sche und Wie­der­her­stel­lung­s­chir­ur­gie.

Stei­gende Bedeu­tung digi­ta­ler Tools in der Frak­tur­ver­sor­gung
„Die Frak­tur­hei­lungs­si­mu­la­tion hat zunächst gro­ßes Poten­zial im digi­ta­len Work­flow des Behand­lungs­pfa­des und wäre eine sinn­volle Ergän­zung in einem digi­ta­li­sier­ten Kran­ken­haus. Gleich­zei­tig hat sie große Bedeu­tung bei der Früh­erken­nung eines abwei­chen­den Hei­lungs­ver­lau­fes“, betont Prof. Dr. med. Flo­rian Geb­hard, Ärzt­li­cher Direk­tor der Kli­nik für Unfall-​, Hand-, Plas­ti­sche und Wie­der­her­stel­lung­s­chir­ur­gie.
Der Trans­fer der Kno­chen­hei­lungs­si­mu­la­tion in ein kom­mer­zia­li­sier­ba­res Pro­dukt ist Mis­sion des Star­tups OSORA. Für die Posi­tio­nie­rung des Pro­dukts ist das Team auf das Feed­back von poten­zi­el­len Nut­zer*innen ange­wie­sen, um in den kom­men­den Ent­wick­lungs­schrit­ten noch bes­ser auf die ärzt­li­chen Bedürf­nisse ein­zu­ge­hen. Auf dem Deut­schen Kon­gress für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie vom 25.-28.10.2022 wird das Pro­jekt­team die Ergeb­nisse der Stu­die dem Fach­pu­bli­kum prä­sen­tie­ren.
Für die Anwen­dung in For­schung und Lehre steht das Soft­ware­tool von OSORA bereits jetzt zur Ver­fü­gung. So wird es ab dem kom­men­den Win­ter­se­mes­ter erst­ma­lig in der Lehre an der Uni­ver­si­tät Ulm und der Tech­ni­schen Hoch­schule Ulm ein­ge­setzt. Für den medi­zi­ni­schen und inge­nieurs­wis­sen­schaft­li­chen Nach­wuchs steht somit ein digi­ta­les Tool zur Ver­mitt­lung des Zusam­men­hangs von Bio­me­cha­nik und Kno­chen­hei­lung zur Ver­fü­gung.

 

 

Röntgenbilder des realen Heilungsverlaufs eines Beispielpatienten

Rönt­gen­bil­der des rea­len Hei­lungs­ver­laufs eines Bei­spiel­pa­ti­en­ten

Computersimulation des Heilungsverlaufs eines Beispielpatienten

Com­pu­ter­si­mu­la­tion des Hei­lungs­ver­laufs eines Bei­spiel­pa­ti­en­ten