Wenn die Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Gehirn und Stoff­wech­sel gestört ist

ERC Con­so­li­da­tor Grant für Dia­be­to­lo­gen Pro­fes­sor Mar­tin Heni

Der Ulmer Medi­zi­ner Pro­fes­sor Mar­tin Heni erhält einen ERC Con­so­li­da­tor Grant. Der Wis­sen­schaft­ler und Arzt lei­tet die Sek­tion für Endo­kri­no­lo­gie und Dia­be­to­lo­gie in der Kli­nik für Innere Medi­zin I am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm. Für seine For­schung zur Inter­ak­tion zwi­schen Gehirn und Stoff­wech­sel bekommt er für die nächs­ten fünf Jahre zwei Mil­lio­nen Euro. Heni möchte her­aus­fin­den, ob Ver­än­de­run­gen im Zusam­men­spiel zwi­schen Gehirn und Stoff­wech­sel­or­ga­nen Diabetes-​Erkrankungen noch gefähr­li­cher machen.

Dia­be­tes ist nicht gleich Dia­be­tes. Das Risiko für Fol­ge­er­kran­kun­gen und Kom­pli­ka­tio­nen sowie das Ster­be­ri­siko ist von Pati­ent zu Pati­ent sehr unter­schied­lich. Wie kommt das? Der Ulmer Endo­kri­no­loge und Dia­be­to­loge Pro­fes­sor Mar­tin Heni ver­mu­tet, dass in den Hoch­ri­si­ko­grup­pen das Zusam­men­spiel – der soge­nannte Cross­talk – zwi­schen Gehirn und Stoff­wech­sel­or­ga­nen gestört ist. Um diese Annahme zu über­prü­fen, hat Heni nun vom Euro­päi­schen For­schungs­rat (ERC) in Form eines Con­so­li­da­tor Grant For­schungs­gel­der in Mil­lio­nen­höhe erhal­ten. Die­ses Förd­erfor­mat für For­schende, die sich bereits in einem wis­sen­schaft­li­chen Feld eta­bliert haben, gehört zu den renom­mier­tes­ten in Europa und wird auf Grund­lage wis­sen­schaft­li­cher Exzel­lenz ver­ge­ben. „Ich freue mich sehr, dass ich als kli­ni­scher For­scher diese groß­ar­tige Aus­zeich­nung erhal­ten habe. Das ist eine schöne Moti­va­tion für mich und mein Team“, sagt Mar­tin Heni. Der 42-​jährige Wis­sen­schaft­ler und behan­delnde Arzt, der sich in sei­ner For­schung auf die Wech­sel­wir­kung von Stoff­wech­sel und Gehirn spe­zia­li­siert hat, möchte mit sei­nem trans­la­tio­na­len Ansatz Erkennt­nisse aus der Grund­la­gen­for­schung in die kli­ni­sche Pra­xis über­tra­gen.

Eines sei­ner Ziele: Metho­den ent­wi­ckeln, um Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit einem hohen Komplikations-​ und Sterb­lich­keits­ri­siko zu iden­ti­fi­zie­ren, bevor sich der Dia­be­tes über­haupt mani­fes­tiert hat. Der Fokus liegt dabei auf dem wech­sel­sei­ti­gen Zusam­men­hang zwi­schen Gehirn und Stoff­wech­sel­or­ga­nen. Wie wird die­ser Cross­talk koor­di­niert? Eine wich­tige Rolle spie­len nach Ansicht von Heni nicht nur Hor­mone wie Insu­lin und Lep­tin sowie deren Inter­ak­tion. Der Ulmer Medi­zi­ner ver­mu­tet, dass hier auch neu­ro­nale Pro­zesse invol­viert sind, die über das auto­nome Ner­ven­sys­tem, den Para­sym­pa­thi­kus, ver­mit­telt wer­den. Das Neu­ar­tige an Henis feld­über­grei­fen­dem Ansatz: Er ver­bin­det endo­kri­no­lo­gi­sche, neu­ro­nale und meta­bo­li­sche Pro­zesse mit­ein­an­der, um neue Erkennt­nisse zur Ent­ste­hung von Stoff­wech­sel­er­kran­kun­gen zu erlan­gen. Ein wich­ti­ger Fokus liegt hier­bei auch auf Geschlechts­un­ter­schie­den, die dabei eine wich­tige Rolle spie­len könn­ten: „Ich möchte ver­ste­hen, wie genau es zu die­sen Unter­schie­den kommt und ver­mute, dass hier neu­ro­nale Pro­zesse im Hin­ter­grund ablau­fen, die bis­lang als sol­che noch nicht bekannt sind.“

Der Ulmer For­scher freut sich dar­auf, all diese Fra­gen gemein­sam mit sei­ner Arbeits­gruppe in den nächs­ten Jah­ren klä­ren zu dür­fen. Mar­tin Heni, der sich als Team­player sieht, ver­traut auch auf die Kom­pe­tenz und das Kön­nen sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ten­den. Sein Erfolgs­re­zept für die For­schung: eine gewisse Grund­of­fen­heit Ande­ren gegen­über und die Bereit­schaft, Uner­war­te­tes zu akzep­tie­ren. „Ich möchte dann natür­lich her­aus­fin­den, was hin­ter dem uner­war­te­ten Ergeb­nis liegt“, so der Arzt, der sich bereits als Medi­zin­stu­dent für die mole­ku­lar­bio­lo­gi­sche For­schung begeis­tert hat.
Pro­fes­sor Mar­tin Heni hat in Greifs­wald und Tübin­gen Medi­zin stu­diert. In der Stadt am Neckar hat er sein Arz­t­ex­amen abge­legt und viele Jahre in der kli­ni­schen Diabetes-​Forschung und Endo­kri­no­lo­gie gear­bei­tet, zuletzt auch in lei­ten­der Stel­lung, bevor er 2022 am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm auf die Pro­fes­sur für Endo­kri­no­lo­gie und Dia­be­to­lo­gie beru­fen wurde. Der viel­fach aus­ge­zeich­nete Wis­sen­schaft­ler hat in den letz­ten Jah­ren unter ande­rem den renom­mier­ten Minkowski-​Preis der Euro­päi­schen Diabetes-​Stiftung EASD erhal­ten sowie den Ferdinand-​Bertram-Preis der Deut­schen Dia­be­tes Gesell­schaft (DDG). Henis wich­tigs­ter Men­tor war der Tübin­ger Endo­kri­no­loge Pro­fes­sor Hans-​Ulrich Häring. Von ihm hat er die Begeis­te­rung für die Diabetes-​Forschung und Lei­den­schaft für die Wis­sen­schaft über­nom­men.

Prof. Martin Heni

Prof. Mar­tin Heni (Foto: Maria­clau­dia Cer­rai Ceroni)