Zeit schenken, zuhören, Kraft spenden

Klinikpfarrerin Sabine Hekmat beendet ihre Dienstzeit am Universitätsklinikum Ulm

Die persönlichen Unterlagen sind verpackt, die Bücher verstaut. Für Klinikseelsorgerin Sabine Hekmat ist der Zeitpunkt des Abschiedes gekommen. Seit 2003 begleitete die evangelische Pfarrerin Patienten der Chirurgie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf dem Safranberg während des Klinikaufenthaltes und unterstützte Angehörige und Mitarbeiter der Klinik in seelsorglichen Fragen. Für den geschäftsführender Pfarrer der evangelischen Klinikseelsorge Ulm, Erich Schäfer, geht eine Kollegin, für die es immer wichtig war, „dass man miteinander arbeitet, sich ergänzt, sich trägt. Bei ihr stand immer der Teamgedanke im Vordergrund. So hat sie viel zu einer guten und kollegialen Kultur beigetragen.“

 

Gelassen in vielen Dingen

Acht Jahre – so lange dauert die Dienstzeit für evangelische Klinikpfarrer. Wenn solch ein Lebensabschnitt zu Ende geht, wendet sich zunächst der Blick zurück: Wie waren die vergangenen Jahre für mich? Was habe ich erreicht? Was nehme ich an Erfahrung mit? Sabine Hekmat empfindet ihre Zeit am Universitätsklinikum Ulm rückblickend als „sehr erfüllten Lebensabschnitt“ und fügt hinzu: „Die vielen Kontakte, die Arbeit in der Seelsorge haben mich bereichert, in manchen Dingen gelassener gemacht.“

 

Am Ende der Kräfte

Die Arbeit eines Klinikseelsorgers ist vielfältig. Im Vordergrund steht zunächst die Begleitung von Patienten. Diese müssen nicht selten lebenswichtige Entscheidungen treffen – und brauchen dann jemanden, der ihnen zur Seite steht, ihnen Wege aufzeigt, der gemeinsam mit ihnen Antworten auf essentielle Fragen findet: Lohnt es sich zu kämpfen? Was sagt mir mein Gefühl? Wie wird sich eine Operation oder eine bestimmte Therapie auf mein Leben auswirken? „Ich habe auf intensive Weise die Nöte, die Fragen der Menschen gespürt. Jeder Mensch bringt seine Lebensgeschichte mit. Den einen trifft eine Diagnose aus heiterem Himmel wie ein Schock. Den anderen belastet eine lange Krankheitsgeschichte und er fühlt sich am Ende seiner Kräfte. Zum Beispiel fällt es Patienten nicht immer leicht, sich für oder gegen eine Therapieoption zu entscheiden“, sagt Sabine Hekmat. Auch Angehörige und Freunde eines Patienten brauchen häufig Zuspruch und Unterstützung im Umgang mit Krankheit oder Tod. Für Sabine Hekmat war es deshalb immer ein Hauptanliegen, „Sterbende und deren Angehörige würdig zu begleiten. Sterbende zu segnen hat für mich eine wichtige spirituelle Dimension, die sich aus der Nächstenliebe begründet. Es entlastet ungemein, sowohl den Sterbenden als auch die Angehörigen, wenn sie versöhnt und im Frieden Abschied nehmen können. Wenn wir dies aufgeben würden, verlieren wir ein Stück Würde und Kultur.“

 

Sabine Hekmat nimmt sich Zeit

Als großen Vorteil ihrer Arbeit sieht sie den Faktor Zeit, den sie im Gegensatz zum ärztlichen und pflegerischen Personal hat: „Mitarbeiter sehen innerhalb kurzer Zeit viele Patienten kommen und gehen. Sie überlegen permanent, was ist jetzt wichtig, was ist noch zu tun. Im Vordergrund stehen die Fragen zur medizinischen Behandlung. Für ein Gespräch an der Bettkante, für Zuspruch bleibt kaum mehr Zeit. Als Klinikseelsorgerin bringe ich Zeit mit. Ein erster Schritt ist, der Patientin oder dem Patienten zuzuhören. Im Erzählen ordnen sich die Eindrücke. Erzählen hilft zu verarbeiten und zu bewältigen. Gemeinsam mit dem Patienten zu überlegen, wie er oder sie das Leben nach einer Operation oder mit Krankheit bewältigen kann. Wo liegen die eigenen Kraftquellen? Das sind die eigene Familie, Freunde und Verwandte  oder ein gesellschaftliches Engagement, doch Patienten schöpfen ebenso Kraft durch ein Gebet am Krankenbett, einen gemeinsam gefeierter Gottesdienst in der Kapelle, den Zuspruch des Segens.“ 

 

Sich der eigenen Grenzen bewusst sein

Was für Patienten gilt, gilt auch für Mitarbeiter: „Ein naher Blick auf das ärztliche und das Pflegepersonal ist ein essentieller Teil der Seelsorge in der Klinik. Auch sie sollen das Gefühl und die Sicherheit haben, dass jemand zuhört, wenn sie an sich zweifeln oder überlastet sind“, sagt Pfarrer Erich Schäfer. Für Sabine Hekmat gehört zur Arbeit eines Seelsorgers auch, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein: „Manche Erwartungen oder Ideen sind nicht erfüllbar oder zu schaffen.“


Geschafft hat Sabine Hekmat während ihrer Zeit am Uniklinikum Ulm aber zweifellos eine ganze Menge: Als Lehrerin unterrichtete sie das Fach Religion an der Hans-Lebrecht-Schule – der Schule für Kranke am Universitätsklinikum Ulm. Seit 2004 war sie zudem Mitglied der Ethikkommission der Universität Ulm. Medizinethische Themen wurden zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit, den sie mit einem berufsbegleitenden Masterstudium im Fach Medizinethik weiter ausbaute. „Sie war stets die Sachwalterin in ethischen Fragen und machte immer wieder klar, dass ethische Kompetenz in jeder Funktion wichtig ist – nicht nur für Seelsorger“, hebt Erich Schäfer Sabine Hekmats großes Engagement in ethischen Fragestellungen hervor. Ihre nächste Station erscheint deshalb logisch und konsequent. Schon im April zieht es sie nach Bonn, wo sie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der dortigen Universität ein „Kontaktstudiensemester“ absolvieren wird. Schwerpunkt: Medizinethik.

 

Weitere Informationen:

Die Verabschiedung von Sabine Hekmat erfolgt am Dienstag, den 29. März 2011 um 15 Uhr im Casino der Universitätskliniken für Chirurgie auf dem Safranberg, Ulm. Dr. Günter Renz, Studienleiter der Evangelischen Akademie, Bad Boll, wird einen Vortrag zum Arbeitsschwerpunkt Medizinethik halten. Der Titel: „Was wollen wir wissen? – Überlegungen zur prädiktiven genetischen Diagnostik“. Danach wird Frau Hekmat im Rahmen eines Gottesdienstes offiziell verabschiedet.

Das unten angehängte Bild zeigt Klinikpfarrerin Sabine Hekmat (Foto: UK Ulm).

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Klinikpfarrerin Sabine Hekmat (Foto: UK Ulm)