Der ganze Tag ist grau und regnerisch gewesen. Doch pünktlich zur feierlichen Enthüllung der Skulptur „Dazugehören“ im Garten der Hans-Lebrecht-Schule hat die Septembersonne für einen goldenen Herbstmoment gesorgt. Begleitet von Akustikklängen präsentierten Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der österreichischen Künstlerin Anna Sacher Santana kürzlich das Ergebnis ihrer zahlreichen Gespräche, Workshopstunden und letztlich körperlichen Arbeit im Rahmen eines Skulpturprojekts.
Der Enthüllungsfeier folgte eine bunte Gästeschar aus Ärzt*innen, Therapeut*innen, Lehrer*innen und Mitschüler*innen sowie Freunden der Hans-Lebrecht-Schule. Unter ihnen waren für die Stadt Ulm der Baubürgermeister Tim von Winning und für die Kässbohrer-Stiftung der ehemalige Sozialbürgermeister Dr. Hartung, die dieses Kunstprojekt gefördert haben. Auch der ehemalige Oberbürgermeister Ivo Gönner sowie die internationalen Teilnehmer eines Symposiums zum Kinderschutz – darunter der Ulmer Gastprofessor David Finkelhor (New Hampshire), der neu berufene Professor Dr. Andreas Jud und die Professorin Franziska Meinck (Oxford) – waren gekommen ebenso wie niedergelassene Kooperationspartner der Klinik.
Für viele Kinder und Jugendliche und deren Eltern sind die Worte „Inklusion“ und „Teilhabe“ oft nur Begriffe. Eine konkrete Vorstellung, was sich dahinter verbirgt, fehlt häufig. Am Safranberg „übersetzt“ man die beiden Worte in den greifbaren Begriff „Dazugehören“. Denn gerade für die jungen Patient*innen, die in die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie kommen und während ihres Aufenthalts die zugehörige Hans-Lebrecht-Schule besuchen, ist „Dazugehören“ ein großes Thema: Wo gehören sie noch dazu, wenn sie in die Klinik kommen? Wo vielleicht nicht mehr? Wo möchten sie dazugehören?
Das Kunstprojekt bot den Schülerinnen und Schülern eine Gelegenheit, sich mit dem Aspekt „Dazugehören“ intensiv auseinanderzusetzen. Dorothee Blaumer, Schulleiterin der Hans-Lebrecht-Schule, und Professor Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, waren sich gleich einig, mit wem sie dieses Projekt an der Schnittstelle von Klinik und Kunst am liebsten durchführen möchten: Mit ihrer ehemaligen Kollegin Anna Sacher Santana, die inzwischen in Österreich ihr eigenes Atelier sowie ihre eigene psychiatrische und psychotherapeutische Praxis für Kinder und Jugendliche betreibt.
Die Österreicherin sagte sofort zu. Im Sommer hat sie sich gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen dem Thema „Dazugehören“ über Brainstorming, Bilder und Tonfiguren angenähert. „Besonders ergreifend war für mich, wie die Kinder und Jugendlichen schilderten, was für sie ‚dazugehören‘ bedeutet. Es war für sie Geborgenheit, Wärme und vor allem auch Sicherheit und die Unterstützung sich zu trauen sie selbst zu sein“, beschreibt die Medizinerin und Bildhauerin Dr. Sacher Santana den Entstehungsprozess. „Immer wieder kam in den Bildern und Skulpturen der Kinder und Jugendlichen das Motiv, dass eine Gruppe und eine Einzelperson zusammen kommen, dass sie sich die Hände reichen und die Einzelperson in die Gruppe aufgenommen wird. Die Figuren sollten ‚neutral‘ ausschauen, damit sich jeder mit ihnen identifizieren könne. Genau diese Elemente habe ich dann in die von mir konzipierte Skulpturengruppe eingebaut.“
Auch die Künstlerin gehört am Safranberg dazu. Da Anna Sacher Santana bei Professor Fegert einst ihre Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie absolvierte, kennt sie die Klinik und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch gut. Im Garten der Schule erinnert das unter ihrer Anleitung entstandene Gemeinschaftswerk nun täglich an das Leitprinzip „dazugehören“. „Beim realen Bau der Skulpturen waren die Kinder und Jugendlichen auch voll dabei, gehörten sie dazu. Ich hatte immer freiwillige Helfer, die ganz engagiert mitarbeiteten, wenn beispielsweise Material geschleppt werden musste, oder poliert, gesägt, gerührt, gehalten und bemalt wurde.“
„Das Motto ‚Dazugehören‘ wurde von den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen entwickelt und begleitet uns auch in diesem Jahr des Universitätsjubiläums“, erzählt Professor Fegert. „Unter dem Motto ‚Dazugehören‘ veranstalteten wir im Frühjahr gemeinsam mit der Baden-Württemberg-Stiftung den bislang größten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hier in Ulm. Über 2.000 Teilnehmer setzten sich damit auseinander, wie eine bessere Teilhabe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Störungen erreicht werden kann. Mobbing und Ausschluss waren zentrale Themen beim Kongress, bei dem auch die Kultusministerin Frau Dr. Eisenmann die Bedeutung eines Förder- und Schulklimas unterstrich. Ich freue mich, dass die Schülerinnen und Schüler der Hans-Lebrecht-Schule – in Reaktion auf eine Skulpturengruppe von Anna Sacher Santana, die die Ausgrenzung eines Mädchens auf dem Schulhof darstellt – nun ein Werk geschaffen haben, welches darstellt, wie dieses ausgestoßene Kind in die Gruppe hinein findet.“