Die Beschäftigten in Krankenhäusern sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Dennoch fehlt in den meisten deutschen Kliniken ein systematisiertes betriebliches Gesundheitsmanagement. Der Forschungsverbund „Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz Krankenhaus“ (SEEGEN) unter der Leitung von Professor Dr. Harald Gündel (Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) wird sich in den kommenden vier Jahren damit beschäftigen, wie die seelische Gesundheit von Beschäftigen in Krankenhäusern präventiv gestärkt werden kann. Der Verbund umfasst Teilprojekte der Universitätsklinika Ulm, Heidelberg, Düsseldorf, Tübingen sowie der Universitäten Düsseldorf und Duisburg-Essen und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 2,6 Millionen Euro gefördert.
Gesundheit, Entstehung und Verlauf von Krankheiten sind durch sehr verschiedene Faktoren bestimmt. Insbesondere das berufliche Umfeld formt eine Vielzahl dieser Faktoren sowohl im positiven Sinne zum Beispiel durch die Chance, Anerkennung zu erfahren, kreativ und produktiv zu sein, soziale Kontakte zu knüpfen und als Ressource zur Bewältigung belastender Situationen zu verwenden. Aber auch im negativen Sinne, wenn die aus umfangreichen Anforderungen bestehende, modern verdichtete Arbeitswelt zum Beispiel Gefühle von Überforderung oder Entfremdung erzeugt.
Gerade in den Arbeitsbereichen der Krankenhäuser und Klinika, die in den letzten Dekaden einem enormen Wandel insbesondere bei den Arbeitsbedingungen zum Beispiel durch Kostendämpfungsmaßnahmen vollzogen haben, fehlt jedoch ein systematisiertes betriebliches Gesundheitsmanagement, welches die verschiedenen Faktoren günstig beeinflussen kann.
Die Partner des Forschungsverbunds „Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“ (SEEGEN) wollen sich dieser Herausforderung annehmen und gemeinsam verhaltens- sowie verhältnispräventive Maßnahmen entwickeln, die speziell auf das Arbeitsumfeld Krankenhaus zugeschnitten sind.
„In dem Verbund haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Strukturen im Krankenhauswesen gesamthaft zu analysieren, dann in der ersten Projektphase (Förderjahre 1 + 2) spezielle Interventionen für wichtige Themen bzw. Zielgruppen zu entwickeln, und anschließend in der zweiten Projektphase (Förderjahre 3 + 4) diesbezüglich. kombinierte, sog. komplexe Interventionen in drei Kliniken durchzuführen und zu evaluieren.“, informiert Professor Dr. Harald Gündel, Verbundprojektleiter und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Schließlich wollen wir die Ergebnisse und Erfahrungen aus diesemVerbundprojekt auch auf gesundheitspolitischer Ebene diskutieren und möglichst Veränderungen erreichen.“
In dem Verbund werden die Partner jeweils unterschiedliche Fragestellungen bearbeiten. Zwei Ulmer Teilprojektpartner (Psychosomatische Medizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie) setzen sich in der ersten Projektphase mit einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie an einem typischen kommunalen Klinikverbund (Klinikverbund des Ostalbkreises) auseinander: „Den Spagat zu schaffen zwischen den Anforderungen, die die Arbeit an die Beschäftigten stellt und den Aufgaben, die zu Hause warten, ist insbesondere im Klinikkontext angesichts von Schichtarbeit oder Arbeitsverdichtung oftmals sehr schwierig“, erläutert Teilprojektleiterin Dr. Eva Rothermund, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Wir möchten mit unserem Projekt deshalb erreichen, dass durch optimierte Arbeitsbedingungen, eine bessere Abstimmung zwischen Kliniken und Kommune und erhöhte Selbstwirksamkeit der Betroffenen eine größere Vereinbarkeit von Familie und Beruf entsteht.
Die Forscher*innen in Düsseldorf und Duisburg-Essen widmen sich beispielsweise der Sensibilisierung oberer Führungskräfte wie Chefärzt*innen und Pflegebereichsleitungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement in der Klinik (Projektleitung: Prof Dr. Peter Angerer und Prof. Dr. Andreas Müller, Institut für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin (Düsseldorf) und Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie (Duisburg-Essen)) sowie der betriebswirtschaftlichen Analyse von Kennzahlen wie Arbeitgeberattraktivität oder Produktivität (Projektleitung: Prof. Dr. Stefan Süß, Lehrstuhl für BWL). Ebenfalls mit der Stärkung von Führungskompetenzen beschäftigen sich Tübinger Wissenschaftler um Projektleiter Dr. Florian Junne (Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie).
In Heidelberg sind zwei Teilprojekte angesiedelt. Diese haben sich zum einen die Entwicklung eines Dilemmakompetenztrainings für Führungskräfte zum Ziel gesetzt, das helfen soll, Wege aus krankmachenden Zwickmühlen zu finden (Projektleitung: Prof. Jochen Schweitzer-Rothers). Zum anderen sollen Bausteine zur Förderung eines gesunden, erfolgreichen Alterns im Pflegeberuf entwickelt werden (Projektleitung: Dr. Imad Maatouk, Klinik für Allgemeine Innere und Psychosomatische Medizin).
In der zweiten Projektphase (Förderjahre 3 und 4) sollen dann die einzelnen Interventionsbausteine kombiniert eingesetzt (= „komplexe Intervention“) und in einem clusterrandomisierten Verfahren an drei Kliniken anhand von gesundheitsbezogenen und betriebswirtschaftlichen Parametern evaluiert werden. Die sog. qualitative Evaluation in dieser Phase wird von dem Leiter der Sektion Prozess-Ergebnis-Forschung PD Dr. Bernd Puschner durchgeführt.
Mittelfristig soll das Verbundprojekt dazu beitragen, die Qualität der Arbeit im Krankenhaus zu verbessern, Personalmangel zu bekämpfen und die Behandlungsqualität zu steigern.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Projekts: SEEGEN - Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz
(Text: Forschungsverbund SEEGEN / Universitätsklinikum Ulm)