Verunglückte Motorradfahrer, gestürzte Bauarbeiter, Opfer körperlicher Gewalt: Werden schwer verletzte Patienten vom Rettungsdienst in die Klinik gebracht, beginnt für das Team aus Ärzten und Pflegekräften im Schockraum die Arbeit. Und damit eine Phase, in der die Zusammenarbeit unter enormem Zeitdruck reibungslos funktionieren muss. Denn im schlimmsten Fall kostet ein Fehler hier ein Menschenleben. Die Zusammenarbeit im Schockraumteam sollte daher regelmäßig trainiert werden. Die DRF Luftrettung hat an diesem Wochenende das erste Schockraum-Simulationstraining in den neuen Räumen der Klinik für Chirurgie auf dem Oberen Eselsberg durchgeführt. Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsklinikums Ulm kamen die Teilnehmer auch von Kliniken des Traumanetzwerks Ulm sowie, im Rahmen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, von der Semmelweis Universität Budapest.
Training am neuen Arbeitsplatz
„Wir freuen uns, dass das Training noch vor Inbetriebnahme der neuen Chirurgie bereits im neuen Schockraum stattfinden konnte: eine gute Gelegenheit für die Teilnehmer des Universitätsklinikums, sich an ihre neue Arbeitsumgebung zu gewöhnen“, sagt Dr. Wolfgang Stahl, Oberarzt in der Universitätsklinik für Anästhesiologie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Georgieff) und Koordinator des Schockraumtrainings. Im Schockraum wird der Patient für die weitere Versorgung im OP oder für die Behandlung auf der Intensivstation vorbereitet. Im ersten Schritt geht es darum, die Kreislaufstabilität des Patienten aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Außerdem wird eine Erstdiagnose erstellt und es können erste Behandlungsschritte eingeleitet oder – wenn auch selten – lebensrettende Operationen durchgeführt werden.
Richtige Kommunikation im interdisziplinären Team
Warum es wichtig ist, das Teamwork im Schockraum regelmäßig zu trainieren, weiß Dr. Christoph Riepl, Oberarzt in der Ulmer Universitätsklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Florian Gebhard): „Im Schockraum arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Unfallchirurgen, Anästhesisten und Radiologen sowie aus Pflegepersonal verschiedener Fachbereiche zusammen und versorgt dort oftmals Menschen, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden. Um hier die nötige Ruhe zu bewahren, braucht man Routine.“ Das betrifft z.B. das Procedere bei der Übergabe des Patienten durch den Rettungsdienst, das Umlagern des Patienten von der Rolltrage auf die Trage im Schockraum oder die Abläufe bei der Diagnostik. „Meistens sind Fehler im Schockraum nicht fachlich, sondern menschlich bedingt. Man redet durcheinander, verlässt die sachliche Ebene, wird durch die Anspannung gar emotional. Das führt dazu, dass vorhandenes Wissen in der Drucksituation nicht richtig umgesetzt wird. Ein Simulationstraining hilft dabei, solche Fehler zu vermeiden“, erklärt Dr. Wolfgang Stahl.
Simulationstraining verbessert Arbeit an der Schnittstelle Notfallrettung und Klinik
„Die DRF Luftrettung hat seit 2004 bereits über 100 Trainings an mobilen Simulatoren durchgeführt, allein über zehn Schockraumtrainings in Zusammenarbeit mit Kliniken. Ziel ist es, die teamübergreifende Zusammenarbeit und die Schnittstelle Notfallrettung und Klinik zu verbessern. Ein Erfolgsbeweis sind die über 2.000 Teilnehmer, die unsere Trainings bereits durchlaufen haben – darunter Luftrettungsbesatzungen, externe bodengebundene Rettungskräfte und klinische Schockraumteams“, erläutert Dr. Jörg Braun, der als Ärztlicher Leiter bei der DRF Luftrettung unter anderem deren Aus- und Fortbildungskonzepte verantwortet.
Weitere Informationen:
Die DRF Luftrettung hat an 28 Standorten in Deutschland rot-weiße Hubschrauber für die Notfallrettung und Intensivtransporte stationiert, in Baden-Württemberg allein an sieben Stationen. Um die Notfallversorgung und die Patientenbetreuung kontinuierlich zu optimieren, führt die DRF Luftrettung regelmäßige medizinische Fachfortbildungen durch.
So bietet die Luftrettungsorganisation in Zusammenarbeit mit dem Tübinger Patientensicherheits- und Simulationszentrum (TüPASS) ein spezielles mobiles Trainingskonzept für Schockraumteams an, bei dem die praktische Übung im Mittelpunkt steht. Nach dem Leitsatz „Train where you work“ finden die Trainings direkt vor Ort in den Schockräumen der jeweiligen Klinik statt. Anhand realistischer Szenarien werden konkrete Fallbeispiele von Patienten mit unterschiedlichen Verletzungsmustern durchgespielt. Die Teilnehmer üben an realitätsnahen Patientenpuppen, die Komplikationen simulieren können und das Schockraumteam damit immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Mit Hilfe moderner Audio-Video-Technik wird die gesamte Trainingssituation auf Video aufgezeichnet und anschließend im Detail besprochen.
Das Universitätsklinikum Ulm ist überregionales Traumazentrum im Traumanetzwerk Ulm, einem Zusammenschluss aus zwölf Kliniken der Region, die die sich nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zu einheitlichen Standards in der Versorgung Schwerverletzter verpflichten. Dazu gehören unter anderem regelmäßige Fortbildungen oder die Erfüllung bestimmter Kriterien in der Schockraumausstattung oder bei Behandlungsabläufen.
Der Schockraum im Neubau der Chirurgie bietet den Patientinnen und Patienten eine hochmoderne Ausstattung, um eine optimale Erstversorgung zu gewährleisten. Neben Narkose- und Beatmungsgeräten und einem modernen Ultraschallgerät finden sich sowohl eine digitale Röntgenanlage, deren Bilder direkt per Datenleitung in den Operationssaal übertragen werden können, als auch ein Computertomograph, der in wenigen Minuten Schnittbilder vom gesamten Körper erzeugt. Das Schockraummanagement erfolgt interdisziplinär durch die Anästhesiologie und die Unfallchirurgie.
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Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Simulationstrainings im Schockraum des Neubaus der Chirurgie spielen ein realistisches Schockraumszenario an der lebensechten Patientenpuppe durch (Foto: Universitätsklinikum Ulm).
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