Es ist ein Schock für jedes Elternteil: das freudig erwartete Baby kommt nicht gesund auf die Welt und muss bereits in den ersten Lebenstagen oder -wochen operiert werden. In dieser Situation fanden sich auch Eftychia Kalantidou und Mario Gladigau wieder, die am 02. Juni 2023 ihre kleine Tochter Lydia willkommen heißen durften. Bei dem Mädchen wurde bereits vor der Geburt eine angeborene Unterbrechung in der Speiseröhre, eine sogenannte Ösophagusatresie, sowie eine Unterbrechung des Zwölffingerdarms festgestellt. Dank minimal-invasiver Methoden konnten die Expert*innen der Sektion Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Ulm (UKU) Lydia auf schonende Art und Weise operieren. Bislang war in solchen Fällen eine weitaus größere Operation notwendig.
Die Ösophagusatresie ist eine angeborene Fehlbildung, bei der zwei Hauptformen unterschieden werden: 1. Die reine Unterbrechung der Speiseröhre, bei welcher das obere und das untere Enden der Speiseröhre blind enden. 2. Eine zusätzliche Verbindung zur Luftröhre (Fistel), die meistens vom unteren Ende der Speiseröhre ausgeht. „Bei Kindern, die mit einer Ösophagusatresie geboren werden, kann weder Nahrung noch Speichel vom Mund in den Magen transportiert werden. Durch die Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre kann auch Magensaft in die Lunge gelangen“, erklärt Dr. Martin Sidler, Leiter der Sektion Kinderchirurgie der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am UKU. Infolgedessen können Lungenentzündungen auftreten. Im Weiteren kann durch diese Verbindung auch Luft in den Magen gelangen, was den Magen gefährlich überblähen kann.
Die Ösophagusatresie muss operativ behoben werden, was bei Lydia drei Tage nach der Geburt geschah. Dank einer minimal-invasiven Operationsmethode konnte die Speiseröhre über drei kleine Schnitte rechts am seitlichen Oberkörper rekonstruiert werden. Über diese winzigen Zugänge werden die Instrumente eingeführt und die Verbindung von Speiseröhre und Luftröhre getrennt, bevor die beiden Teile der Speiseröhre zusammengenäht werden. Nach einer Woche problemloser Betreuung auf der Neugeborenen-Station wurde zusätzlich auch der Zwölffingerdarm über lediglich drei kleine Zugänge am Bauch zusammengefügt. Für Korrekturen dieser Art mussten am UKU bisher weitaus größere und aufwendigere Verfahren angewandt werden. So musste für die Korrektur der Ösophagusatresie der Brustkorb des Säuglings mehrere Zentimeter eröffnet werden.
„Eine raschere Erholung, geringere Schmerzen während und nach dem Eingriff, sowie ein besseres kosmetisches Ergebnis sind nur einige der Vorteile des minimal-invasiven Vorgehens gegenüber herkömmlichen offenen Operationen. Diese anspruchsvollen Eingriffe sind noch längst nicht überall Standard und setzen ein spezialisiertes Team aus Neugeborenenmedizin, Anästhesie und Kinderchirugie voraus. Dass dieses Vorgehen nun am Universitätsklinikum Ulm angeboten werden kann, wird große Vorteile für unsere kleinsten Patientinnen und Patienten mit sich bringen“, betont Dr. Martin Sidler, der die Sektion Kinderchirurgie seit April 2023 leitet.