Die COVID-19 Pandemie stellt eine enorme Herausforderung für die medizinische Versorgung von Patient*innen mit Lymphomen, Leukämien oder anderen bösartigen Erkrankungen des Blutes, sogenannten hämatologischen Neoplasien, dar. So haben mehrere voneinander unabhängige Studien gezeigt, dass bei Patient*innen, die von einer solchen Erkrankung betroffen sind, die Sterblichkeit durch eine COVID-19 Infektion deutlich erhöht ist. Um eine optimale Versorgung dieser Patientengruppe auch während der Pandemie sicherzustellen, hat ein internationales Expertengremium auf Initiative von Professor Dr. Christian Buske, Ärztlicher Direktor und Leiter des Instituts für Experimentelle Tumorforschung am Universitätsklinikum Ulm (UKU), Empfehlungen für die spezielle Situation der COVID-19 Pandemie erarbeitet.
Die erhöhte Sterblichkeit von Patient*innen mit hämatologischen Neoplasien lässt sich dadurch erklären, dass die Abwehr des Immunsystems schon durch die Erkrankung selbst stark beeinträchtigt sein kann. Dies liegt daran, dass die Immunzellen z.B. bei Lymphomen und Leukämien selbst zum Tumor gehören, dadurch nicht mehr funktionell intakt sind und bei der Infektabwehr nicht mehr helfen können. Hinzu kommt, dass viele Therapien, die bei hämatologischen Tumoren angewendet werden und die darauf abzielen die bösartigen Blutzellen zu eliminieren, auch gesunde Immunzellen im Körper angreifen. Dies führt dazu, dass die Infektabwehr der Patient*innen zumindest vorübergehend eingeschränkt wird. „Vor diesem Hintergrund hat sich uns die Frage gestellt, wie diese Patientengruppe auch in der COVID-19 Pandemie optimal versorgt werden kann“, erklärt Professor Dr. Christian Buske. Um diese Frage zu klären, haben die großen Europäischen Fachverbände, die „European Hematology Association“ (EHA) und die „European Society for Medical Oncology” (ESMO), in einer bislang einmaligen Anstrengung gemeinsam und unter Koordination von Professor Buske ein internationales interdisziplinäres Expertengremium gebildet. In diesem wurden in detaillierter Arbeit und in mehreren Abstimmungsrunden Empfehlungen für die Behandlung von Patient*innen mit hämatologischen Neoplasien in der speziellen Situation der COVID-19 Pandemie erarbeitet. Unter Leitung von Professor Buske und Professor Francesco Passamonti (University of Insubria, Varese, Italien) wurden die Richtlinien in einem Konsensuspapier kürzlich publiziert.
„Die Erarbeitung von Empfehlungen auf europäischer Ebene für die klinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Neoplasien in der hochdynamischen und komplexen Situation der COVID-19 Pandemie gibt unseren Kolleginnen und Kollegen einen wichtigen Leitfaden an die Hand“, stellt Prof. Buske fest. Prof. Dr. Udo X. Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Ulmer Universitätsklinikums, ergänzt: „Die optimale Versorgung COVID-19 erkrankter Tumorpatientinnen und -patienten in unserem Klinikum hat für uns höchste Priorität. Das europäische Konsensuspapier unter Leitung von Prof. Buske unterstreicht die Notwendigkeit, diese Versorgung auch unten den Bedingungen der COVID-19 Pandemie umfassend zu gewährleisten.“
Titel der Originalpublikation:
Managing hematological cancer patients during the COVID-19 pandemic: an ESMO-EHA Interdisciplinary Expert Consensus.
C Buske, M Dreyling, A Alvarez-Larrán, J Apperley, L Arcaini, C Besson, L Bullinger, P Corradini, M Giovanni Della Porta, M Dimopoulos, S D'Sa, H T Eich, R Foà, P Ghia, M G da Silva, J Gribben, R Hajek, C Harrison, M Heuser, B Kiesewetter, J J Kiladjian, N Kröger, P Moreau, J R Passweg, F Peyvandi, D Rea, J-M Ribera, T Robak, J F San-Miguel, V Santini, G Sanz, P Sonneveld, M von Lilienfeld-Toal, C Wendtner, G Pentheroudakis, F Passamonti