Nicht übertragbare Erkrankungen wie koronare Herzkrankheiten, Schlaganfall, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Demenz, Depressionen und Krebs sind weltweit auf dem Vormarsch und stehen häufig in Zusammenhang mit einem Mangel an körperlicher Aktivität. Weltweit liegt das Niveau der körperlichen Aktivität unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ein Mangel an körperlicher Aktivität kann die Krankheits- und Sterblichkeitsraten erhöhen, die Lebensqualität verschlechtern und die ökonomische Belastung für den Einzelnen und die Gesellschaft erhöhen. Als Reaktion auf diesen Entwicklungstrend haben sich im April 2021 in Hamburg zahlreiche Organisationen unter einem Dach zusammengefunden und die "Hamburger Erklärung" unterzeichnet. Diese stellt eine internationale Verpflichtung dar, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die körperliche Aktivität zu erhöhen und die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung insgesamt zu verbessern. 139 medizinische und wissenschaftliche Organisationen sowie Sport- und Regierungsinstitutionen, darunter auch die Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin am Universitätsklinikum Ulm (UKU), haben nun ein Positionspapier zur Notwendigkeit einer "Globalen Allianz zur Förderung körperlicher Aktivität" veröffentlicht.
Gemeinsam rufen sie Ärzt*innen und alle anderen Gesundheitsberufe dazu auf, ihre Patient*innen vermehrt zu aktivieren, aber auch in ihren Gemeinden und auf allen politischen Ebenen Verantwortung zu übernehmen, um die Gesundheit der gesamten Bevölkerung zu verbessern. Im Positionspapier – ebenfalls „Hamburger Erklärung“ genannt – fordert die Allianz außerdem nationale und internationale Entscheidungsträger dazu auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um tägliche körperliche Aktivität in allen Bereichen zu fördern. Die "Globale Allianz" ruft alle beteiligten gesellschaftlichen Gruppen auf, Verantwortung zu übernehmen: Ärzt*innen, Krankenhäuser, Physiotherapeut*innen und Sportwissenschaftler*innen, kommunale Gesundheitsdienstleister, um nachhaltige Gesundheitsziele für ihre Patient*innen bzw. ihre Klient*innen zu erreichen.
„Ein Mangel an körperlicher Aktivität verursacht viele Probleme für den Einzelnen und die Gesellschaft. Die Lösung besteht darin, mehr Menschen in Bewegung zu bringen – das ist das übergreifende Ziel der ›Globalen Allianz zur Förderung der körperlichen Bewegung‹“, erklärt Prof. Dr. Dr. Jürgen Steinacker, Ärztlicher Leiter der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin am UKU, der eine federführende Rolle bei der Erstellung des Positionspapiers eingenommen hat. „Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir fünf Schlüsselbotschaften erarbeitet“:
1. Förderung von körperlicher Aktivität als Medizin.
Nutzen Sie Multiplikatoren und Vorbilder in allen Bereichen des Lebens, um die Botschaft zu vermitteln, dass Gesundheit, Wohlbefinden und Glück zu Hause beginnen. Dass körperliche Aktivität die beste Medizin ist und dass Vorbeugen besser ist als Heilung.
2. Lobbyarbeit bei politischen Entscheidungsträgern.
Entwicklung von Instrumenten und Programmen, damit wir Lobbying betreiben können, damit sich Regierungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen auf allen Ebenen dafür einsetzen, in körperliche Aktivität zu investieren, um Leben zu retten, Geld zu sparen und die Gesellschaft zu verbessern.
3. Die Anpassung der körperlichen Aktivität an den Einzelnen, die Gemeinschaft und ihre Umgebung.
Körperliche Aktivität muss auf den Einzelnen zugeschnitten sein, das Alter, das Geschlecht, die sozioökonomischen und kulturellen Gegebenheiten sowie auf die klimatischen Bedingungen.
4. Nutzen der neuesten Technologien.
Arbeiten Sie mit den großen Tech, Pharma- und Medizinunternehmen sowie Bildungseinrichtungen zusammen, um körperliche Aktivität in das tägliche Leben zu integrieren durch tragbare Geräte, Smartphones, das Internet und das Metaverse. Dies bietet einen einfachen und unterhaltsamen Einstieg durch Gamification, Belohnungen und den Aufbau von Communities.
5. Ein Aufruf zu mehr Studien über die Wirksamkeit und Umsetzung von politischen Konzepten (Policies) und Programmen.
Die meisten Informationen zur Prävention stammen aus Kohortenstudien. Es besteht ein dringender Bedarf an gut konzipierten Studien für körperliche Aktivität in der Bevölkerung und im Gesundheitssystem – insbesondere im Hinblick auf unterversorgte Minderheiten.
Die Forderung nach einer "Globalen Allianz zur Förderung körperlicher Aktivität" wird von vielen medizinischen und wissenschaftlichen Organisationen sowie Sport- und Regierungsinstitutionen unterstützt. So sagt Professor Fabio Pigozzi, Präsident der “International Federation of Sport Medicine” und Professor sowie stv. Direktor der Universität Rom "Foro Italico": “Wir unterstützen diese wichtige Initiative, denn es ist an der Zeit, dass Ärzte ihren Patienten körperliche Aktivität verschreiben".
Professor Jürgen Steinacker, Chair der Hamburg Erklärung und Vorsitzender der “European Initiative for Exercise in Medicine” (EIEIM) erklärt: “Krankenhäuser und Gesundheitsdienstleister sollten aufgefordert werden, langfristige und nachhaltige Gesundheitsziele zu erreichen, um sicherzustellen, dass ihre Patienten zu einem gesunden und körperlich aktiven Lebensstil zurückkehren. Wir fordern ein nachhaltiges aktives Krankenhaus, das sich nicht nur auf Verfahren und kurzfristige Ergebnisse, sondern auf langfristige Aktivität der Patienten konzentrieren sollte.”
Professor Bernd Wolfarth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention und Professor für Sportmedizin an der Charité in Berlin fügt hinzu: „Die deutsche Sportmedizin begrüßt die Teilnahme so zahlreicher deutscher Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer und des Deutschen Olympischen Sportbundes an dieser Erklärung, die eine starke Botschaft an die Bundesregierung und alle Akteure im Gesundheitswesen richtet.“
Die "Hamburger Erklärung" wird auch von der medizinisch-wissenschaftlichen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) unter dem Vorsitz von Professor Uğur Erdener unterstützt, die die Bedeutung der körperlichen Betätigung für die öffentliche Gesundheit hervorhebt. So betont Professor Erdener: "Ich möchte Sie zur Erklärung beglückwünschen. Wir freuen uns sehr, Teil dieser wichtigen Initiative zu sein." Das IOC unterstreicht seine Unterstützung außerdem in einer Pressemitteilung. Gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO hat das IOC zusätzlich die globale Aktion "Lets be active" ins Leben gerufen, die mit dem Olympischen Tag 2023 eine starke Botschaft an die Öffentlichkeit richtete und Millionen von Teilnehmenden erreichte.
Originalpublikation:
Steinacker JM, et al. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2023;0:e001626. doi:10.1136/bmjsem-2023-001626