Ungesteuerte Bewegungen wie Kopfwackeln oder Augenzwinkern sind mögliche Symptome des Tourette-Syndroms. Manche Betroffene äußern unkontrolliert Worte oder Geräusche vom Schniefen bis zum Pfeifen, benutzen Schimpfwörter oder wiederholen, was ihre Mitmenschen sagen. Tourette-Patienten erleben Unverständnis und Ablehnung und entwickeln häufig weitere Krankheitsbilder. Auf der 20. Jahrestagung der Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V. diskutieren deutsche und internationale Experten neueste Erkenntnisse zu chronischen Tic-Störungen, von denen in Deutschland bis zu 6% der Kinder und Jugendlichen betroffen sein können. Ausgerichtet wird die Tagung von der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, die einen Schwerpunkt in der Versorgung von Patienten mit chronischen Tic-Störungen und Tourette-Syndrom hat.
Beschimpft und geschlagen
„Als ich klein war, hab ich geglaubt, ich bin das gestörteste Kind auf der ganzen Welt. Niemand wollte mit mir spielen, ich wurde beschimpft und geschlagen.“ So kommentierte eine Mutter, die in einem osteuropäischen Dorf aufgewachsen war, die eigene Erfahrung mit ihrer schwer ausgeprägten Tic-Störung, als sie ihre Kinder in der Ulmer Spezialsprechstunde vorstellte, bei denen bislang nur leichte Zwinker-Tics aufgetreten waren. Meist entwickelt sich das Tourette-Syndrom über zunächst einfache motorische Tics im Alter von sechs bis acht Jahren. Vorübergehende, meist nur leicht ausgeprägte Tics treten sogar bei bis zu 15% aller Kinder im Grundschulalter auf. Bis zur Diagnosestellung einer chronischen Tic-Störung vergehen auch in Deutschland oft noch mehrere Jahre.
„Die betroffenen Kinder werden häufig gehänselt, manchmal so sehr, dass sie Angststörungen entwickeln. Weitere Krankheitsbilder wie zum Beispiel die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Lernstörungen oder Autismus sind überzufällig oft mit dem Tourette-Syndrom vergesellschaftet“, erläutert Tagungsorganisatorin Prof. Dr. Andrea G. Ludolph, Sektionsleiterin der Institutsambulanz der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie. Diese Begleiterkrankungen sind auch Thema der Tagung.
Weltweit bekannte Tourette-Experten in Ulm
Die Ursachen des Tourette-Syndroms sind nicht genau geklärt, Heilung kaum möglich – daher ist Forschung unerlässlich. Auf der Jahrestagung berichten zwei der weltweit bekanntesten Tourette-Experten über ihre Forschungen: Professor Mary M. Robertson vom University College London, Großbritannien, beschäftigt sich u.a. mit der Entstehung und dem Verlauf der Erkrankung. Professor James F. Leckmann von der Yale University in New Haven, USA, erforscht den Einfluss genetischer Grundlagen und hirnorganischer Korrelate der Erkrankung. Im Verlauf der Pubertät kommt es bei ca 90% der Jugendlichen zu einer spontanen Besserung, so dass Erwachsene deutlich seltener vom Tourette-Syndrom betroffen sind. Bei vielen ist die Tic-Symptomatik dann sehr stark ausgeprägt, bei einigen stehen die Beeinträchtigungen durch Begleiterkrankungen im Vordergrund. Auch diesem Thema widmet sich die Tagung.
Weitere Informationen:
Interessierte und Betroffene bekommen bei der Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V. weitere Informationen. Die Internetadresse lautet: www.tourette-gesellschaft.de. Insbesondere in der vergangenen Jahren hat die Forschung zum Tourette-Syndrom in Europa einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Im Januar 2000 wurde in Kopenhagen die European Society for the study of Tourette-Syndrome gegründet – seit 2008 gibt es regelmäßige Jahrestreffen. Die EU hat drei große Forschungsprojekte zum Tourette-Syndrom finanziert. An zwei Projekten ist die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie federführend beteiligt.
Die 20. Jahrestagung vom 12. bis 13. Oktober richtet sich in erster Linie ans Fachpublikum, ist aber auch für Laien und Betroffene geöffnet. Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem angehängten Programm im PDF-Format.
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