Antivirale Therapien sind Behandlungen, die darauf abzielen, virale Infektionen zu bekämpfen. Die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet rückten mit der COVID-19-Pandemie schlagartig in den Fokus. Weltweit warnen Expert*innen bereits vor der nächsten Pandemie und fordern verstärkte Forschungsanstrengungen, um künftig besser gegen diese gewappnet zu sein. Sowohl neuartige Viren, als auch die Tatsache, dass bereits existierende Viren gegen Medikamente resistent werden, erhöhen die Notwendigkeit für neue und bessere antivirale Behandlungsmethoden. Im Rahmen eines Programms zu antiviralen Therapien fördert die Baden-Württemberg Stiftung nun drei Forschungsprojekte des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm (UKU) mit insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro.
Das Ziel des Forschungsprogramms der Baden-Württemberg Stiftung ist es, die Entwicklung innovativer Plattformtechnologien oder (Breitband-)Therapeutika für die Behandlung viraler Infektionskrankheiten zu stärken. Am UKU werden gleich drei Forschungsprojekte von Prof. Dr. Frank Kirchhoff und Prof. Dr. Jan Münch, die das Institut für Molekulare Virologie gemeinsam leiten, Jun. Prof. Konstantin Sparrer vom selben Institut sowie Prof. Dr. Christian Riedel vom Institut für Molekularbiologie und Biotechnologie der Prokaryoten der Universität Ulm gefördert. „Wir freuen uns sehr über die Förderung unserer Projekte. Dass alle drei eingereichten Anträge angenommen wurden, unterstreicht die Relevanz und Qualität unserer Forschung“, erklären die Wissenschaftler. „Wir hoffen natürlich, dass diese dazu beitragen wird, dass wir Pandemien in Zukunft besser bekämpfen bzw. diesen vorbeugen können.“
Die drei Forschungsprojekte beschäftigen sich mit der Nutzung der angeborenen Immunabwehr für eine sichere und wirksame antivirale Therapie, der präklinischen Entwicklung eines antiviralen Breitbandtherapeutikums sowie der Nutzung von antiviraler Autophagie gegen bestimmte Viren.
Prof. Dr. Frank Kirchhoff: “Nutzung der angeborenen Immunabwehr für eine sichere und wirksame antivirale Therapie”
Unsere natürlichen Abwehrmechanismen können die meisten Viren abwehren. Dazu gehören beispielsweise auch antivirale Restriktionsfaktoren, also zelluläre Proteine, die virale Infektionen hemmen oder sogar verhindern können. Allerdings haben einige Viren gelernt, diese Mechanismen zu umgehen. Interferone (IFN) sind Proteine, die helfen können, Viren zu bekämpfen. Bisherige Interferon-Behandlungen sind jedoch oft nur vorübergehend wirksam und mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Prof. Dr. Frank Kirchhoff und sein Team möchten nun untersuchen, welche Kombinationen von verschiedenen Interferon-Typen und anderen Immunstoffen besonders effektiv gegen Atemwegsinfektionen und durch Stechmücken übertragene Viren sind. Dazu testen sie verschiedene Behandlungen an menschlichen Zellen und Organoiden, um herauszufinden, durch welche Mischungen Viren am besten bekämpft werden können. Zusätzlich suchen sie nach neuen Immunstoffen im Blut, die eine antivirale Reaktion auslösen können und identifizieren wichtige Abwehrmechanismen gegen Viren.
„Unser Ziel ist es, Kombinationen von Interferonen und anderen Immunstoffen zu finden, die Viren in sehr niedriger Konzentration bekämpfen können. Dadurch könnten Behandlungen mit weniger Nebenwirkungen entwickelt werden. Letztendlich möchten wir dieses Wissen nutzen, um sicherere und wirksamere antivirale Therapien zu entwickeln, indem das volle Repertoire an natürlichen Abwehrmechanismen unseres Körpers genutzt wird“, erklärt Prof. Kirchhoff.
Prof. Dr. Jan Münch/apl. Prof. Dr. Christian Riedel: “Präklinische Entwicklung eines antiviralen Breitbandtherapeutikums (AVIT) gegen respiratorische Viruspathogene”
Proteasen sind Enzyme, die eine wichtige Rolle beim Eindringen von Atemwegsviren in Zellen spielen, indem sie Viruseiweiße aufspalten und so das Zusammenfügen von Virus- und Zellmembran erleichtern. Das Team um Prof. Dr. Jan Münch hat einen natürlichen Protease-Blocker namens KPI-1 entdeckt, der besonders wirksam gegen das Enzym TMPRSS2 ist, ein Schlüsselfaktor für Atemwegsvirusinfektionen. KPI-1 hat gezeigt, dass es Infektionen mit Influenza A Viren und verschiedenen Coronaviren erfolgreich bekämpfen kann. „Unser Ziel ist es, KPI-1 oder ähnliche Proteine als breit wirksame Medikamente gegen Atemwegsviren zu entwickeln. Dafür optimieren wir die Produktion von KPI-1 und untersuchen genau, wie es gegen Viren wirkt. Außerdem suchen wir nach weiteren Proteinen, die ähnlich wie KPI-1 funktionieren könnten“, erklären Prof. Dr. Jan Münch und Prof. Dr. Christian Riedel. Das Forschungsteam verwendet verschiedene Methoden, um diese Proteine herzustellen und sie dann in fortgeschrittenen Studien an Zellen und Geweben zu testen. Wenn das Forschungsprojekt erfolgreich ist, könnte es dazu beitragen, Atemwegsvirusinfektionen nicht nur zu behandeln, sondern auch vorzubeugen, was wichtig für die Vorbereitung auf zukünftige Pandemien ist.
Jun. Prof. Dr. Konstantin Sparrer: “AutophagieBoost – Entwicklung und Optimierung von Verbindungen zur therapeutischen Auslösung einer antiviralen Autophagie gegen Atemwegsviren und durch Arthropoden übertragene Viren”
Autophagie kann, als Teil des angeborenen Immunsystem, direkt verschiedenste Viren abbauen und diese dadurch eliminieren. Die meisten Krankheitserreger haben jedoch Strategien entwickelt, um dieses Abwehrsystem zu schwächen, und entkommen somit dem Abbau. Daher ist therapeutische Stärkung von Autophagie ein breiter antiviraler Ansatz. Im Forschungsprojekt von Prof. Konstantin Sparrer sollen neue Medikamente entwickelt werden, die Autophagie stärken, jedoch ohne Entzündungsreaktionen zu fördern. Diese Medikamente sollen gegen verschiedene Viren wie das Respiratorische Synzytial Virus (RSV) und von Insekten übertragene Viren wie das Zika-Virus und das FSME-Virus wirken. „Vor kurzem haben wir einen wichtigen Mechanismus entdeckt, der Autophagie reguliert. Diese molekularen Einsichten wollen wir nutzen, um therapeutisch die autophagische Abwehr gegen Viren zu verstärken. Die Stärkung der Autophagie hat zudem den Vorteil, dass keine schädlichen Entzündungsreaktionen ausgelöst werden, die sonst oft Nebenwirkung einer immunstärkenden Therapie sind“, sagt Prof. Konstantin Sparrer.