Wie körpereigene Peptide und Proteine dem menschlichen Körper dabei helfen, Bakterien und Viren abzuwehren oder Krebs zu bekämpfen, das untersuchen Ulmer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im SFB 1279. Der Sonderforschungsbereich zur „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“ wird nun um weitere vier Jahre verlängert. In der ersten Förderphase war der SFB bereits mit über 12 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt worden, und jetzt kommen noch einmal rund 12 Millionen Euro dazu: ein großer Erfolg für die Ulmer Lebenswissenschaften.
Ohne Peptide und Proteine läuft in unserem Körper gar nichts. Sie sind an allen lebenswichtigen physiologischen Prozessen beteiligt und spielen auch bei der Bekämpfung von Infektionen und anderen Erkrankungen eine bedeutende Rolle. „Die Gesamtheit aller Proteine und Peptidverbindungen des menschlichen Körpers bezeichnen wir als Peptidom. Dabei gibt es Millionen unterschiedliche Verbindungen, deren biologische Funktionen noch unbekannt sind“, erklärt Professor Frank Kirchhoff, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm. Der Virologe ist Sprecher des SFB 1279, der kürzlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für weitere vier Jahre verlängert wurde. Die Mission dieses Ulmer Sonderforschungsbereichs besteht darin, systematisch nach Peptiden und Peptidverbindungen zu suchen, die eine anti-mikrobielle oder krebshemmende Wirkung haben. Mögliche Kandidaten werden analysiert, charakterisiert und gegebenenfalls optimiert, um diese für therapeutische Anwendungen weiterzuentwickeln.
Im Zuge der ersten Förderphase (2017/2 bis 2021/1) ist es den Forschenden bereits gelungen, eine Reihe von Peptidverbindungen zu identifizieren, die den Körper im Kampf gegen Bakterien, Viren und Krebs unterstützen. Im Mittelpunkt des erfolgreichen Forschungsverbundes stehen Infektionskrankheiten, Entzündungen und Tumorerkrankungen – von AIDS, COVID-19, Alzheimer und Asthma über Leukämie und Lymphome bis hin zu Keuchhusten und Diphterie. Auf der Suche nach nützlichen Peptiden haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle möglichen Körperflüssigkeiten untersucht: darunter Blutplasma, Muttermilch und die Flüssigkeit aus Lungenspülungen sowie Speichel und Sperma. Aber auch in Peptidextrakten aus Geweben, wie der Plazenta, wurden die Forschenden fündig.
In der zweiten Förderphase (2021/2 bis 2025/1), die im Juli anläuft, rückt ein weiterer Fokus in den Mittelpunkt dieses Großforschungsvorhabens: „Zahlreiche anti-mikrobiellen oder tumor-hemmende Peptide entstehen aus bestimmten Vorläufer-Proteinen, die in großen Mengen im Körper vorkommen. Das Besondere: die spezifisch wirkenden Peptide werden erst bei Entzündungen oder Infektionen an Ort und Stelle gebildet“, erklärt Kirchhoff. Diese Peptide sollen jetzt genauer untersucht werden. Sie entstehen durch den sogenannten proteolytischen Abbau von Vorläufer-Proteinen wie Albumin, Hämoglobin oder Antitrypsin. Dabei kommen Protein-abbauende Enzyme (Proteasen) ins Spiel, die wiederum durch das Immunsystem aktiviert werden.
Um dieses Großvorhaben der Universität und des Universitätsklinikums Ulm zu stemmen, kooperieren 30 Projektleiter und -leiterinnen aus der Medizin und den Naturwissenschaften. Darunter sind Forschende aus der Virologie, der Krebsforschung, der Mikrobiologie, der Biochemie, der Physik, der Pharmakologie und Hochleistungsbildgebung. Die insgesamt 20 Forschungsprojekte teilen sich auf in drei Sektionen. Der Ansatz, den der Ulmer Peptidom-SFB verfolgt, ist dabei umfassend. Er reicht von der Entdeckung und Aufreinigung möglicher „Kandidaten“-Moleküle über deren biochemische Charakterisierung und pharmakologische Optimierung bis zur Entwicklung von Therapien. Einen hohen Stellenwert hat dabei der Aufbau von Peptid-„Bibliotheken“ sowie die Vorbereitung von klinischen Studien, samt Entwicklung geeigneter Tiermodelle und entsprechender in-vivo-Bildgebungsverfahren.
„Es freut uns sehr, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft diesen außergewöhnlichen Sonderforschungsbereich weiter fördert. Dies ist ein klarer Beleg für die herausragende Arbeit unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Mit ihrer Forschung haben sie in diesem hochinnovativen Bereich auch international neue Maßstäbe gesetzt“, betont Professor Michael Weber, Präsident der Universität Ulm.