Kin­der­schutz in der Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde

95. Jah­res­ver­samm­lung der Deut­schen Gesell­schaft für Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-​Chirurgie

Vom 8. bis 11. Mai fin­det in Essen die tra­di­ti­ons­rei­che 95. Jah­res­ver­samm­lung der Deut­schen Gesell­schaft für Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-​Chirurgie statt. Auch aus Ulm betei­li­gen sich Expert*innen am Vor­trags­pro­gramm und rücken unter ande­rem das Thema Kin­der­schutz in der Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde in den Fokus.

Die Aus­wir­kun­gen einer zu spät erkann­ten Erkran­kung wie zum Bei­spiel Gehör­lo­sig­keit, Masto­idi­tis, einer ris­kan­ten Folge der Mit­tel­ohr­ent­zün­dung, die unbe­han­delt zu einer lebens­be­droh­li­chen Hirn­haut­ent­zün­dung füh­ren kann, oder Cho­le­ste­atom, einer chronisch-​eitrigen Ent­zün­dung des Mit­tel­ohrs, ver­ur­sa­chen für die betrof­fe­nen, oft­mals noch jun­gen Pati­ent*innen ein hohes indi­vi­du­el­les Leid, fami­liäre Belas­tun­gen und hohe Krank­heits­kos­ten. Fak­to­ren, die durch eine früh­zei­tige Erken­nung und Prä­ven­tion ver­mie­den wer­den könn­ten. Das­selbe gilt für Ver­nach­läs­si­gun­gen sowie kör­per­li­che Gewalt gegen­über Kin­dern, die noch häu­fi­ger auf­tre­ten, als die drei genann­ten Erkran­kun­gen zusam­men. „Die Hand­lungs­ver­pflich­tun­gen zur Prä­ven­tion von Kin­des­miss­hand­lung sind auch in der Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde gesetz­lich vor­ge­schrie­ben“, so Prof. Dr. Anna-​Katharina Rohlfs, Ärz­tin an der Kli­nik für Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hal­s­chir­ur­gie am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm (UKU). Tat­säch­lich exis­tiert bei Miss­hand­lung und Ver­nach­läs­si­gung jedoch ein gro­ßes Dun­kel­feld und somit viele ver­passte Prä­ven­ti­ons­chan­cen.
„Die Ver­sor­gung von Kin­dern mit Sprach-​ und Hör­stö­run­gen gehört zum All­tag vie­ler Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Diese Kin­der haben auf­grund ihres erhöh­ten Betreu­ungs­be­dar­fes und der Komor­bi­di­tät zu ande­ren Ent­wick­lungs­stö­run­gen ein beson­ders hohes Risiko, von einer elter­li­chen Über­for­de­rung betrof­fen zu sein“, so Prof. Rohlfs wei­ter. Sie emp­fiehlt bei Unsi­cher­hei­ten oder Ver­dachts­fäl­len, sich dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­ti­schen Rat und kol­le­giale Emp­feh­lun­gen bei der rund um die Uhr erreich­ba­ren medi­zi­ni­schen Kin­der­schutz­hot­line ein­zu­ho­len. Unter der Tele­fon­num­mer 0800-1921000 berät ein von Ulm aus koor­di­nier­tes Team aus Ärz­tin­nen und Ärz­ten der Berei­che Päd­ia­trie, Kinder-​ und Jugendpsychiatrie-​ und Psy­cho­the­ra­pie sowie Rechts­me­di­zin auf der Basis der S3-​Leitlinie „Kin­der­schutz“ und mit einer spe­zi­el­len Exper­tise in Fra­gen der Schwei­ge­pflicht und Koor­di­na­tion im Kin­der­schutz. „Gerade steht ein Gesetz­ent­wurf zur Debatte, in dem die­ses posi­tiv eva­lu­ierte Pro­jekt als dau­er­hafte Leis­tung des Bun­des im medi­zi­ni­schen Kin­der­schutz ver­ste­tigt wer­den soll. Die Inan­spruch­nahme aus der HNO ist selbst im Ver­gleich zur Zahn­me­di­zin durch­aus noch aus­bau­fä­hig“, sagt der Kinder-​ und Jugend­psych­ia­ter und Psy­cho­the­ra­peut Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Grün­der und Lei­ter der Hot­line und des Kom­pe­tenz­zen­trums Kin­der­schutz in der Medi­zin in Baden-​Württemberg.

Unter der Web­seite https://elearning-​kinderschutz.de/ stellt seine Kli­nik für Kinder-​ und Jugend­psych­ia­trie/Psy­cho­the­ra­pie am UKU und das Kom­pe­tenz­zen­trum zahl­rei­che von der Ärz­te­kam­mer Baden-​Württemberg zer­ti­fi­zierte Fort­bil­dungs­an­ge­bote zur Ver­fü­gung. Über 50.000 Per­so­nen haben bis­lang Kurse mit Erfolg und Zer­ti­fi­kat absol­viert. Er betont, dass es für den kol­le­gia­len Aus­tausch vor Ort mitt­ler­weile an der Hälfte aller Kin­der­kli­ni­ken in Deutsch­land Kin­der­schutz­grup­pen gäbe. Recht­lich ver­an­kert ist die gewalt­freie Erzie­hung von Kin­dern in Deutsch­land seit dem Jahr 2000. „Kör­per­li­che Bestra­fun­gen, see­li­sche Ver­let­zun­gen und andere ent­wür­di­gende Maß­nah­men sind unzu­läs­sig“ (§ 1631 Abs. 2 des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches). Dr. Mela­nie Kapapa, Lei­tung des inter­dis­zi­pli­nä­ren Kin­der­schutz­teams am UKU, Fach­ärz­tin für Kin­der­chir­ur­gie und zer­ti­fi­zierte Kin­der­schutz­me­di­zi­ne­rin, sagt: „Kin­der­schutz ist eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Dau­er­auf­gabe. Um diese gewähr­leis­ten zu kön­nen, müs­sen vor allem per­so­nelle Res­sour­cen in den Kli­ni­ken und Pra­xen zur Ver­fü­gung ste­hen –  erst dann ist eine nach­hal­tige Ver­sor­gung mög­lich.“ Das mul­ti­pro­fes­sio­nelle Kin­der­schutz­team des UKU wurde durch die Deut­sche Gesell­schaft für Kin­der­schutz in der Medi­zin (DGKiM) akkre­di­tiert und unter­stützt die behan­deln­den Ärz­tin­nen und Ärzte leit­li­ni­en­kon­form immer dann, wenn eine mög­li­che Kin­des­wohl­ge­fähr­dung im Raum steht. Das Team setzt sich aus Psy­cho­log*innen, Gesundheits-​ und Kin­der­kran­ken­pfle­ger*innen, Diplom­päd­agog*innen, Pädia­ter*innen, Kinder-​ und Jugend­psych­ia­ter*innen, Kin­der­chir­urg*innen, Unfall­chir­urg*innen und Rechts­me­di­zi­ner*innen, HNO-​Ärzt*innen, Pho­nia­ter*innen und Pädau­dio­log*innen zusam­men.

Den HNO-​Kongress möchte die Medi­zi­ne­rin Prof. Rohlfs nut­zen, um auf typi­sche, häu­fig als schwie­rig und pro­ble­ma­tisch emp­fun­dene Kon­stel­la­tio­nen und Krank­heits­bil­der in der HNO-​Versorgung von Kin­dern auf­merk­sam zu machen. Es wer­den kon­krete Fall­bei­spiele, Hand­lungs­op­tio­nen und recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen auf­ge­zeigt und ver­mit­telt, wel­che Ver­bin­dun­gen zur Ver­sor­gung von Erwach­se­nen nach Kör­per­ver­let­zun­gen bestehen und wel­che Hand­lungs­mög­lich­kei­ten exis­tie­ren, um die ganz­heit­li­che Ver­sor­gung von Gewalt­op­fern in Kli­ni­ken und Pra­xen zu ver­bes­sern.

Ein wich­ti­ges Thema: Kin­der­schutz in der Hals-​Nasen-Ohren-Heilkunde (Quelle: istock­photo)