Hilflosigkeit, Verzweiflung, Angst: chronische Schmerzen beeinflussen oftmals das psychische Befinden von Schmerzpatient*innen. Umgekehrt können auch soziale und psychische Belastungen oder Erkrankungen Schmerzen verursachen. Um Schmerzpatient*innen bestmöglich versorgen zu können, gibt es am überregionalen Schmerzzentrum des Universitätsklinikums Ulm (UKU) eine spezielle Schmerzpsychotherapie, als Bestandteil des ganzheitlichen Behandlungskonzeptes. Rudrani Kunz hat in den vergangenen Jahren eine Weiterbildung zur Schmerzpsychotherapeutin absolviert und war die erste von der Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg anerkannte Schmerz-psychotherapeutin. Als Expertin im interdisziplinären Team des Schmerzzentrums unterstützt sie und ihre psychotherapeutische Kollegin Schmerzpatient*innen und hilft ihnen, trotz Dauerschmerz ein Stück Lebensqualität zurück zu erlangen.
„Es kann sich anfühlen wie eine Verbrennung am Backofen, wie viele Messerstiche oder wie das Gefühl, wenn man in Brennnesseln gefasst hat“, sagt Ulrike Gehweiler. Die 62-Jährige leidet nach einer Operation an der linken Hand an dem Complex Regional Pain Syndrome (CRPS), einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom. Sie hat keine Kontrolle über die Finger ihrer linken Hand, kann nichts festhalten oder greifen. „Ich war früher ein sehr aktiver Mensch. Aber mit den Schmerzen wird man ausgebremst und braucht oft Hilfe im Alltag“, erzählt die Ulmerin. Wie bei Ulrike Gehweiler treten chronische Schmerzen meist in Folge von Erkrankungen, Verletzungen oder Operationen auf. Von Kopf-, über Rücken- bis hin zu Tumorschmerzen werden am Schmerzzentrum des UKU Patient*innen mit unterschiedlichen Schmerzerkrankungen behandelt. „Die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten basiert auf der multimodalen Schmerztherapie. Diese umfasst verschiedene Verfahren, medikamentöse Behandlung, Physiotherapie und Psychotherapie“, sagt Privatdozent Dr. Peter Steffen, ärztlicher Leiter des Schmerzzentrums. Das interdisziplinäre Team aus speziell ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten, Psychotherapeut*innen und Physiotherapeut*innen erarbeitet für jeden Patienten und jede Patientin ein individuell zugeschnittenes Behandlungskonzept.
Als Schmerzpsychotherapeutin unterstützen Rudrani Kunz und ihre Kollegin die Patient*innen dabei, ihre Schmerzen möglichst selbst bewältigen zu können. „Chronische Dauerschmerzen stellen oftmals das bisherige Leben komplett auf den Kopf. Viele meiner Patientinnen und Patienten können ihren Beruf nicht mehr ausüben. Durch Rückzug und Isolation kommen auch Probleme im sozialen Umfeld hinzu“, sagt die Schmerzpsychotherapeutin. Mithilfe von Entspannungstechniken, Atemübungen und anderen Techniken und Verfahren zur Schmerzbewältigung lernen Patient*innen mit Ängsten umzugehen und die Schmerzen aus dem Fokus zu rücken. Daneben geben die Psychotherapeutinnen ihren Patient*innen Tipps wie sie ihren Alltag besser organisieren können. „Ein strukturierter Tagesablauf hilft vielen auf dem Weg zurück in ein Leben, das nicht vom Schmerz bestimmt wird“, erklärt die Schmerzpsychotherapeutin. Ein schmerzfreies Leben ist der Wunsch der meisten Patient*innen, allerdings kann dieser oft nicht erfüllt werden. „In der Schmerztherapie ist oft eine Minderung der Schmerzen um bis zu 50 Prozent realistisch“, sagt Privatdozent Dr. Peter Steffen.
Auch Ulrike Gehweiler musste lernen, mit dem Schmerz zu leben. „Man muss akzeptieren, dass der Schmerz bleibt und ihn so gut es geht in den Alltag einbinden. Dann wird das Leben wieder lebenswert“, sagt die Schmerzpatientin.
Über das überregionale Schmerzzentrum
Seit 1979 ist an der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Ulm eine Ambulanz zur Behandlung chronisch schmerzkranker Patient*innen angesiedelt. Neben dem Universitätsklinikum Mainz ist die Ulmer Schmerzambulanz eine der ältesten schmerztherapeutischen Einrichtungen Deutschlands. Bereits 1987 wurde ein interdisziplinäres Schmerzzentrum gegründet und seit 1985 werden monatlich interdisziplinäre Schmerzkonferenzen angeboten. Im Jahr 2003 erfolgte die Anerkennung als überregionales Schmerzzentrum. Aufgaben des Schmerzzentrums sind die klinische Versorgung, die Forschung und Ausbildung von Studierenden und Ärzt*innen. Die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin betreibt am UKU eine ganztägig geöffnete Ambulanz für chronisch schmerzkranke Patient*innen. Des weiteren wird eine multimodale stationäre Therapie für Schmerzpatienten angeboten.