Es ist ein Albtraum für alle werdenden Eltern: der errechnete Geburtstermin steht kurz bevor und wie aus dem Nichts ist plötzlich das Leben von Mutter und Kind bedroht. Diese Erfahrung musste Bianca Ringeis am 9. Mai machen: nachts klagt die 32-Jährige, die im 9. Monat schwanger war, plötzlich über extreme Schmerzen im oberen Rückenbereich und wird ins Universitätsklinikum Ulm (UKU) eingewiesen. Dort stellt sich heraus: die junge Frau leidet an einer Aortendissektion, also einem lebensbedrohlichen Einriss der Hauptschlagader. Durch die hervorragende Zusammenarbeit von Spezialist*innen unter anderem aus der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie und der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtsmedizin des UKU konnte das Leben von Mutter und Kind gerettet werden. In einer gemeinsamen Not-Operation holte das Team zuerst per Kaiserschnitt ein gesundes Mädchen auf die Welt und führte dann einen lebensrettenden herzchirurgischen Eingriff durch. Bereits zehn Tage nach der Operation konnte Bianca Ringeis das UKU nun gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter verlassen.
Bei einer akuten Aortendissektion reißt, meist ohne Vorwarnung, die Innenwand der Hauptschlagader unmittelbar am Herzen ein und löst sich zunehmend ab. Durch das einströmende Blut können Gefäße zu lebenswichtigen Organen wie dem Gehirn verschlossen werden, was ohne Behandlung binnen Stunden zum Tod führt. Zusätzlich kann das Herz durch eine Ansammlung von Blut im Herzbeutel zusammengedrückt werden, was ein tödliches Herz-Kreislauf Versagen hervorruft. „Die Aortendissektion ist einer der dringlichsten Notfälle in der Herzchirurgie. Hier zählt jede Minute, denn die einzig mögliche Behandlung ist eine Operation am offenen Herzen in einer spezialisierten Herzklinik, wie wir sie hier am Universitätsklinikum Ulm vorweisen können“, erklärt Prof. Dr. Andreas Liebold, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. „Wir behandeln an unserer Klinik circa 50 Aortendissektionen im Jahr. Hochschwangere Patientinnen wie Frau Ringeis sind jedoch eine Seltenheit und eine besondere Herausforderung.“ Prof. Dr. Wolfgang Janni, Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ergänzt: „Durch eine Aortendissektion kann die Blutzufuhr zur Gebärmutter unterbrochen werden, was zwangsläufig zum Tod des Kindes führt. Daher steht bei einem solchen Notfall nicht nur das Leben der Mutter, sondern auch das des ungeborenen Babys auf dem Spiel.“
Bianca Ringeis erlitt die Aortendissektion Mitten in der Nacht: „Ich bin mit unerträglichen Schmerzen im Rücken aufgewacht, hatte Luftnot und musste mich sofort übergeben. Der Rettungswagen hat mich dann zuerst in die Donauklinik gebracht, wo ein CT durchgeführt wurde. Als das Ergebnis feststand, wurde ich gleich in die Uniklinik verlegt und musste dort sofort operiert werden“, berichtet die 32-Jährige, die sich zu diesem Zeitpunkt in der 39-Schwangerschaftswoche befand. Am UKU erwartete sie bei ihrem Eintreffen bereits ein 12-köpfiges Spezialistenteam aus Herzchirurgie, Frauenheilkunde, Geburtsmedizin, Kinderheilkunde, Neonatologie, Anästhesiologie und Intensivtherapie. Um das Leben des Babys zu retten, holte das gynäkologische Team um Oberarzt Dr. Krisztian Lato dieses im ersten Schritt per Kaiserschnitt auf die Welt. Im zweiten Schritt führte Dr. Qefsim Omaj, Oberarzt an der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, gemeinsam mit seinem Team den lebensrettenden herzchirurgischen Eingriff bei der Mutter durch. Bei einer solchen Operation wird der Brustkorb geöffnet, der Patient oder die Patientin an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und das Herz anschließend gestoppt. Der betroffene Bereich wird dann in der Regel durch eine Gefäßprothese ersetzt, falls notwendig muss auch eine künstliche Aortenklappe eingesetzt werden.
Bei Bianca Ringeis dauerten die beiden Eingriffe zusammen nur etwa fünf Stunden und verliefen ohne Komplikationen. Mutter und Kind sind inzwischen wohlauf und wurden nach der Operation weiter von einem interdisziplinären Ärzte- und Pflegeteam betreut. Am dritten Tag nach der komplexen Operation konnte Bianca Ringeis ihre Tochter Romy Sophie zum ersten Mal in den Armen halten. Am vergangenen Mittwoch konnten die beiden das UKU nach Hause verlassen. „Wir sind sehr froh und dankbar, dass die schwere Operation so schnell durchgeführt werden konnte und so gut verlaufen ist. Jetzt können wir Romy endlich ihren beiden Brüdern vorstellen und uns zuhause von dem Schock erholen“, sagen Bianca Ringeis und ihr Mann Simon Ringeis.
„Die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachdisziplinen in dieser außergewöhnlichen Situation hätte nicht besser laufen können. Unser Dank gilt allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr schnelles, kompetentes und entschlossenes Handeln“, erklären Prof. Dr. Andreas Liebold und Prof. Dr. Wolfgang Janni. „Der Fall zeigt aber auch eindrucksvoll, dass eine Klinik wie das Universitätsklinikum Ulm auch in Zeiten starker personeller Belastung jederzeit universitäre Krankenversorgung auf höchstem Niveau und mit maximaler Sicherheit für seine Patientinnen und Patienten anbieten kann.“