In den meisten Fällen sind es Zufallsbefunde, welche die Patient*innen von PD Dr. Kornelia Kreiser und Prof. Dr. Thomas Kapapa in ihre Neurovaskuläre Sprechstunde führen. Denn das tückische an den dort behandelten neurovaskulären Krankheitsbildern wie z.B. Aneurysmen ist, dass Betroffene diese häufig lange nicht bemerken. Werden sie doch entdeckt, finden die Chefärztin der Abteilung für Radiologie und Neuroradiologie an den RKU – Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm und der Leitende Oberarzt in der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Ulm (UKU) in ihrer Sprechstunde individuelle und auf die jeweilige Person abgestimmte Therapien. Besonders wichtig ist ihnen dabei, das persönliche Risikoprofil und den Umgang der Patient*innen selbst mit ihrer Diagnose zu berücksichtigen.
Neurovaskuläre Erkrankungen betreffen die Blutgefäße von Gehirn und Rückenmark, wobei zum einen akute Formen wie Hirninfarkte oder -blutungen, vorkommen. Die Ursache dafür sind aber auch chronische Formen wie Aneurysmen, Gefäßfisteln und Gefäßmalformationen. Aneurysmen sind bläschenähnliche Ausweitungen der Arterien des Gehirns, die lebensbedrohliche Blutungen auslösen, wenn sie platzen. In der gemeinsamen interdisziplinären Sprechstunde werden Menschen beraten, die mit einem Zufallsbefund konfrontiert sind oder bereits eine Hirnblutung hatten. „Eine Hirnblutung oder ein Schlaganfall müssen sehr schnell versorgt werden – hier zählt jede Sekunde. Anders sieht es zum Beispiel bei einem Aneurysma aus, mit dem viele Menschen jahrelang leben – ohne überhaupt zu bemerken, dass etwas nicht stimmt“, erklärt Prof. Thomas Kapapa. „Die neurovaskulären Erkrankungen, die wir behandeln, werden häufig erst bei einer Untersuchung – z.B. einem CT oder MRT – aufgrund eines anderen Problems zufällig entdeckt. Betroffene können dann unsere Sprechstunde aufsuchen, in der wir gemeinsam die verschiedenen Therapien besprechen und entscheiden, ob eine Behandlung notwendig ist und wenn ja, welche die beste Option für die jeweilige Patientin oder den jeweiligen Patienten darstellt“, ergänzt PD Dr. Kornelia Kreiser.
Die Vorteile der gemeinsamen Sprechstunde stehen für sich: denn die Beratung der Patient*innen erfolgt durch zwei ausgewiesene Expert*innen verschiedener Fachrichtungen, die die jeweilige Erkrankung folglich auch aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten können. Denn nicht bei allen neurovaskulären Erkrankungen ist eine Operation am Kopf notwendig oder ein Verschluss mittels Katheter über den Gefäßweg sinnvoll.
So führt die Neuroradiologin PD Dr. Kornelia Kreiser endovaskuläre Eingriffe durch, die zu den minimalinvasiven Methoden gehören. Hierbei werden erkrankte Gefäße von innen behandelt, indem ein dünner Katheter am Handgelenk oder an der Leiste in die Arterie eingeführt wird. Von dort wird der Katheter bis an die erkrankte Stelle im Kopf vorgeschoben, um ein Aneurysma beispielsweise mit kleinen Platinspiralen zu verschließen („Coiling“). „Solche endovaskulären Eingriffe haben den Vorteil, dass sie im Vergleich zu einer offenen Operation weniger belastend sind und ein geringeres Infektionsrisiko bergen, was zu kürzeren Klinikaufenthalten und Regenerationszeiten führt“, betont PD Dr. Kornelia Kreiser. Kommt eine endovaskuläre Behandlung nicht infrage, übernimmt der Neurochirurg Prof. Thomas Kapapa. Bei einem operativen Eingriff öffnet er minimalinvasiv den Schädel und legt mikrochirurgisch das Blutgefäß frei, an dem sich die erkrankte Stelle befindet. Im Falle eines Aneurysmas wird dieses mit einem kleinen Metall-Clip abgeklemmt. Dieses Verfahren nennt sich deshalb „Clipping“.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Behandlung orientieren sich die Expert*innen an drei ausschlaggebenden Stützen: dem persönlichen Risikoprofil, der individuellen Pathologie der Erkrankung und dem Umgang der Patient*innen selbst mit der Diagnose. Beim persönlichen Risikoprofil betrachten die beiden Expert*innen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass beispielsweise ein Aneurysma platzt. Dies ist etwa bei krankhaft erhöhtem Blutdruck der Fall oder bei bekannter aneurysmatischer Hirnblutung in der Verwandtschaft, was die Dringlichkeit einer Behandlung erhöht. Auch die individuelle Pathologie, also die Konfiguration, Größe und Verortung der Erkrankung oder Malformation ist entscheidend für die Wahl einer Behandlungsmethode. „Nicht zuletzt ist für uns aber auch wichtig, wie die Patientinnen und Patienten selbst mit dem Befund umgehen. Es gibt Menschen, die sehr gut mit einer solchen Diagnose zurechtkommen. Andere dagegen werden regelrecht aus dem Leben geworfen und können nachts nicht mehr ruhig schlafen. Der Grad der persönlichen Belastung spielt daher auch eine große Rolle bei unserer Entscheidung für den weiteren Beratungs- und Behandlungsverlauf“, sagt Prof. Kapapa.
Ist diese Entscheidung gefallen, erwarten die Patient*innen in den Räumlichkeiten am UKU und RKU modernste technische Geräte. Dazu gehört ein hochmoderner Hybrid-OP-Saal, der Bildgebung und Chirurgie miteinander verbindet. Denn vor allem bei komplexen Operationen ist die bildgebende Kontrolle einer kontrastmittelgestützten Gefäßdarstellung (Angiographie) bereits während der Operation sinnvoll, um beispielsweise ein unvollständig geclipptes Aneurysma zu erkennen. Außerdem stehen an beiden Standorten, UKU und RKU, sogenannte biplane Angiographie-Anlagen zur Verfügung, die selbst winzigste Gefäßstrukturen hochauflösend darstellen können und so eine sichere und schonende minimalinvasive Behandlung ermöglichen.