Mit einem 2005 begonnenen Kunstprojekt erinnert die Künstlerin Marlis E. Glaser durch ihre Porträtbilder an jüdische Emigrant*innen. Nun wurde das Universitätsklinikum Ulm (UKU) durch eine Schenkung von Veit Feger zum Erinnerungsort an die Kinderärztin Hertha Nathorff, geb. Einstein (* 05. Juni 1895 in Laupheim, † 10. Juni 1993 New York). Im Rahmen einer feierlichen Porträtübergabe am Oberen Eselsberg hat das Kunstwerk am 12. Juli einen geeigneten Platz am UKU bekommen.
Die Porträtübergabe wurde im Foyer des Universitätsklinikums Ulm durch Prof. Dr. Florian Gebhard, Stv. Leitender Ärztlicher Direktor, eröffnet. „Es freut mich sehr, dass wir das Porträt von Hertha Nathorff entgegennehmen dürfen und somit einen Beitrag dazu leisten, dass sie als herausragende Persönlichkeit mit ihrem emotionalen geschichtlichen Hintergrund hier am Universitätsklinikum Ulm gesehen wird“, so Prof. Gebhard.
Hertha Nathorff besuchte 1904 im Alter von neun Jahren als erstes Mädchen die Lateinschule für Jungen in Laupheim, das spätere Carl-Laemmle-Gymnasium. Ihr Besuch an der Schule führte Anfang des 20. Jahrhunderts zu erheblichem Aufsehen und anfänglichem Widerstand seitens der Schulbehörden. Von 1910 bis 1914 war sie Schülerin an einem Gymnasium in Ulm, an dem sie 1914 ihre Abiturprüfung ablegte. Sie studierte Medizin in Freiburg, Heidelberg, München und Berlin, unterbrach ihr Studium jedoch für unbekannte Zeit, um während des 1. Weltkrieges als Krankenschwester zu arbeiten. 1919 legte sie in Berlin ihr Staatsexamen ab, promovierte in Heidelberg und arbeitete mehrere Jahre als Assistenzärztin in Freiburg. Schließlich war sie als Leitende Ärztin für das Frauen- und Kinderheim Berlin-Lichtenberg sowie die Familien- und Eheberatungsstelle am Krankenhaus Berlin-Charlottenburg tätig. Mitten im Leben stehend, ihren Beruf liebend, selbstbewusst und sozial engagiert, verlor sie im Zuge der nationalsozialistischen Rassenpolitik als Jüdin im Jahr 1938 ihre ärztliche Approbation und flüchtete 1939 nach New York.
Die Lebensgesichte und Vergangenheit von Hertha Nathorff berührte und interessierte auch die Künstlerin Marlis E. Glaser. „Ich beschäftige mich erst einmal mit der Persönlichkeit, ich will wissen, wie sie im Leben war. Also suche ich immer nach den Farben, um den Seiten der individuellen Persönlichkeit gerecht zu werden. Außerdem ist mir wichtig, was die Person gesagt oder gedacht hat. Deshalb nehme ich fast immer Zitate in meine Bilder auf“, erläutert Marlis E. Glaser. Besonders wichtig bei den Porträtbildern ist ihr dabei der direkte Blickkontakt zu den Betrachter*innen. Neben dem von Veit Feger gespendeten Porträtbild hat das UKU zusätzlich noch ein Motiv von der Künstlerin geschenkt bekommen mit Bezug zur jüdischen Tradition, dem Ritual des Grußes zum Schabbat-Ausgang, welches das Thema der jüdischen Identität veranschaulicht. Dieser Wunsch „Shavua tov“ (deut.: „eine gute Woche“), ist passend für alle Menschen, die das Bild betrachten.
Der aus Ehingen stammende Altverleger Veit Feger, der die Schenkung veranlasst hat, steht seit vielen Jahren in Kontakt mit Marlis E. Glaser. Er ist ein großer Bewunderer und Unterstützer ihrer Kunst und hat bereits einige ihrer Porträtbilder gespendet. Veit Feger betonte die Relevanz, Porträts von Personen jüdischer Abstammung im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, um so an diese Menschen und ihre Schicksale zu erinnern. Bislang wurden die Porträts beispielsweise in Schulen oder Museen ausgestellt – und nun zum ersten Mal in einem Klinikum.
Auch Prof. Dr. Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Universität Ulm, freut sich über das Porträt und bedankte sich abschließend bei der Künstlerin und dem Spender. Ein besonderes Anliegen der Universität ist es, junge Wissenschaftlerinnen zu fördern und so die Gleichstellung weiter voranzutreiben. Zu diesem Zweck hat die Medizinische Fakultät das „Hertha-Nathorff-Programm“ ins Leben gerufen. Mit dem Programm bietet die Medizinische Fakultät ein eigenes Instrument zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und möchte damit die Chancengleichheit von Frauen und Männern in Forschung und Lehre auf allen Karrierestufen sicherstellen.
„Ein Lob an das Universitätsklinikum – und nicht Krankenhaus – Ulm, das die Gesundheit und die Genesung des Menschen im Vordergrund sieht, nicht so sehr die Krankheit“, merkt Rabbiner Shneur Trebnik am Ende noch an.
Die Veranstaltung wurde musikalisch von dem Kantor Nikola David aus der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München begleitet, der einige jüdische Musikstücke am Keyboard für die Gäste spielte und zudem sang.