Um Depressionen bei Jugendlichen erfolgreich zu behandeln braucht es nicht immer eine monatelange Therapie. Dass auch ein vergleichsweise kurzes ambulantes Trainingsprogramm Jugendlichen helfen kann, einen Weg aus der Depression zu finden, zeigt das Gruppentherapiekonzept MICHI der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. MICHI, japanisch für „der Weg“, läuft seit 2009 als Studie. „Es ist wichtig, dass Depressionen bei Jugendlichen frühzeitig erkannt, und dass sie gezielt behandelt werden. Mit unserem Behandlungskonzept können wir Jugendliche effektiv erreichen, und zwar flexibel und kurzfristig – aber mit langfristigem Erfolg. Es hat das Potential, eine der Standardtherapien bei Depressionen von 13- bis 18-Jährigen zu werden“, sagt Dr. Nina Spröber, leitende Psychologin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und betont einen weiteren Vorteil: „Die Gruppentherapie lässt sich auch problemlos in niedergelassenen Praxen durchführen, wodurch noch wesentlich mehr Patienten effektiv behandelt werden können. Das ist unsere Idee für die Zukunft.“ Im Juli startet MICHI auch in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Depressionen frühzeitig erkennen und gezielt behandeln
Anna ist 13. In letzter Zeit ist sie ständig gereizt, hat schlechte Laune, hängt trüben Gedanken nach, zweifelt an sich selbst. „Die ist halt in der Pubertät“, denkt sich ihr Umfeld. Wer käme schon auf die Idee, dass Anna auch eine Depression haben könnte? Wäre das nicht maßlos übertrieben?
„Nein“, sagt Dr. Nina Spröber, „nicht unbedingt. Ein starkes Anzeichen für eine Depression ist es, wenn solche Stimmungen konstant über mindestens zwei Wochen anhalten. Dazu kommt häufig körperliche Erschöpfung, der Jugendliche hat keine Energie mehr, ist lustlos, zieht sich immer mehr von Familie und Freunden zurück. Eine Depression geht über das ‚Normalmaß‘ einer pubertären Stimmungsschwankung hinaus.“ Langzeitbeobachtungen haben ergeben, dass jeder vierte Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren mindestens eine depressive Episode hat. Suizid ist eine auffallend häufige Todesursache in der betroffenen Altersgruppe. „Es ist ein großes Problem, dass Depressionen bei Jugendlichen häufig nicht oder zu spät erkannt werden, und dass deshalb kaum Hilfe in Anspruch genommen wird. Dabei kann man Depressionen gerade bei Jugendlichen sehr gut und effektiv therapieren. Bleiben sie aber unbehandelt, können sie chronisch werden oder im Erwachsenenalter wieder kommen“, sagt Psychologin Joana Straub, die im Team um Dr. Nina Spröber und Oberarzt PD Dr. Michael Kölch an der Konzeption von MICHI beteiligt war und nun auch die Durchführung der Gruppentherapie mit begleitet.
Kurze Therapie, die schnell Erfolge zeigt
Zudem scheitert der Schritt, sich Hilfe zu suchen oft daran, dass Therapieplätze schwer zu bekommen sind. Auch die lange Therapiedauer von durchschnittlich zwölf Wochen bei Gruppentherapieprogrammen schreckt viele ab. „Jugendliche sind heute einem hohen Leistungsdruck ausgesetzt; Zeit wird z.B. bei G8-Schülern zu einem immer wichtigeren Kriterium“, erklärt Dr. Nina Spröber.
„In einer amerikanischen Studie hat man herausgefunden, dass bei depressiven Jugendlichen auch schon kurze Interventionen zu einer eindeutigen Verbesserung des seelischen Gleichgewichts führen können. Das haben wir zum Anlass genommen, ein Konzept für eine vergleichsweise kurzes, niederschwelliges Trainingsprogramm zu entwickeln, das die Teilnehmer in ihren Alltag integrieren können.“
Mit hilfreichen Strategien den Alltag wieder bewältigen
In fünf Gruppensitzungen, Dauer etwa 75 Minuten, treffen sich die vier bis sechs Teilnehmer wöchentlich mit den Therapeuten. „MICHI orientiert sich an bewährten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Programmen. An deren effektive Bausteine angelehnt haben wir ein eigenes Therapiekonzept erstellt. Es geht uns darum, dass die Jugendlichen hilfreiche Strategien lernen, die ihnen helfen, ihr Leben besser zu meistern. In unseren Sitzungen sollen die Teilnehmer wieder lernen, positive Dinge an sich und der Welt wahrzunehmen. Sie sollen wieder in der Lage sein, selbst aktiv zu werden, Probleme zu lösen und ein soziales Netzwerk aufzubauen bzw. zu erhalten. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass unser Training interaktiv abläuft, dass die Jugendlichen sich vieles selbst erarbeiten und alles ausprobieren. Dafür bekommen sie auch Hausaufgaben. In einer Auffrischungssitzung nach fünf Wochen sprechen wir dann darüber, wie es den Teilnehmern im Alltag ergangen ist“, erzählt Joana Straub und fügt hinzu: „Die Erfahrungsberichte der bisherigen Teilnehmer motivieren uns sehr, das Projekt weiter voranzutreiben, denn sie zeigen, dass die Jugendlichen wirklich von der Therapie profitiert haben – teilweise auch durch ganz einfache Tricks und Kniffe, die ihnen helfen, Probleme anders anzupacken oder sich einfach mal etwas Gutes zu tun.“
Zusammen ist man weniger allein
Dabei zeigt sich auch die Gruppen- im Vergleich zur Einzeltherapie als ein Vorteil des Konzepts. Dazu Dr. Nina Spröber: „Zum einen kann dadurch eine schnelle Behandlung angeboten werden. Zudem merken die Teilnehmer, dass es anderen genau so geht, wie ihnen – oder sogar noch schlechter. Für Jugendliche ist der Vergleich mit anderen sehr wichtig. In der Gruppe können sie sich gegenseitig unterstützen. Die soziale Isolation wird aufgehoben, die Jugendlichen können sich in vielen Bereichen Modell gelungener Bewältigung des Alltags sein.“
Weitere Informationen:
Interessenten für eine Teilnahme an der MICHI-Gruppentherapie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Ulm wenden sich an:
Joana Straub (M.Sc.-Psychologin)
Email: Joana.Straub[at]uniklinik-ulm.de
Tel.: 0731-500 62630
In einer ersten umfangreichen Diagnostik findet zunächst eine Einschätzung darüber statt, ob die Gruppentherapie für die Jugendliche/den Jugendlichen in Frage kommt, oder ob andere Therapiemaßnahmen benötigt werden.
Die unten angehängten Fotos zeigen Dr. Nina Spröber, leitende Psychologin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, sowie Psychologin Joana Straub.
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