ALS auf der Spur

Neurofilamente erleichtern die Frühdiagnose der ALS

 

Der Künstler Jörg Immendorff ist an Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) gestorben, der britische Physikprofessor Stephen Hawking gilt als „Langzeitüberlebender". Eine Heilung von der tödlichen Nervenkrankheit gibt es bisher nicht. Die Diagnose der ALS ist auch für erfahrene Neurologen eine Herausforderung, denn die Symptome der neurodegenerativen Krankheit sind vielfältig und oft nicht von anderen Nervenkrankheiten zu unterscheiden. Nun konnten Forscherinnen und Forschern des ALS-Forschungszentrums Ulm erstmals zeigen, dass sich Neurofilamente für die Diagnose der ALS eignen und in den diagnostischen Ablauf eingebaut werden können.

Bei ALS handelt es sich um eine komplexe und derzeit unheilbare neurodegenerative Erkrankung, welche die Motoneuronen beeinflusst und bewirkt, dass Patienten die Steuerung der Muskulatur im ganzen Körper verlieren. ALS kann zu Lähmungen und innerhalb von drei bis fünf Jahren nach Ausbruch der Krankheit zum Tod führen. Etwa zehn Prozent aller ALS-Fälle sind vererbt. Bis zur sicheren Diagnosestellung sind verschiedene Untersuchungen notwendig. Bisher gab es keinen einzelnen Messwert, der eine ALS beweist. Ziel der Diagnostik war es daher, andere Krankheiten auszuschließen, die der ALS ähnlich sind.

In der Vergangenheit wurden verschiedene Marker aus dem Blut und dem Nervenwasser als mögliche Diagnosemarker postuliert, aber keiner von ihnen konnte erfolgreich in die klinische Praxis übertragen werden. In einer Pilotstudie mit mehreren internationalen Zentren von 2014 zeigten sich die Neurofilamente als erfolgsversprechende Marker für die Diagnose einer ALS. Nun konnte ein Ulmer Forscherteam um Prof. Dr. Markus Otto und Prof. Dr. Albert Ludolph von der Universitätsklinik für Neurologie bei ALS-Patientinnen und Patienten Veränderung bzw. einen erhöhte Konzentration der Neurofilamente nachweisen. Neurofilamente sind Intermediärfilamente der Nervenzellen, die sich in fast allen differenzierten Wirbeltiertierzellen finden. Sowohl im Zytoplasma als auch in Zellkernen, wo sie eine der Hauptkomponenten des Zytoskelettsystems darstellen. Sie sind dynamisch reguliert und für die Struktur und die Mechanik der Zelle wichtig – insbesondere für die Neuronen.

In der nun veröffentlichten Studie haben Professor Otto und sein Team mehr als 455 Patientinnen und Patienten untersucht. Um die generelle Anwendbarkeit zu prüfen, wurden neben Patienten, die unter der Verdachtsdiagnose einer sporadischen oder familiären ALS standen, auch neurologische Kontrollgruppen und Patienten ohne neurodegenerative Erkrankungen auf mögliche Marker und Veränderungen der Neurofilamente untersucht. „Für die Neurofilamente konnten wir eine diagnostische Sensitivität von 83 Prozent und eine diagnostischen Spezifität von 77 Prozent erzielen. Bessere Werte als die, die für die Diagnose anderer neurologischer Erkrankungen erzielt werden, wie beispielsweise der Alzheimer Erkrankung. Da sie bereits früh in der Erkrankungsphase verändert sind, werden wir ihren Wert als prognostische Marker in weiteren Studien untersuchen", erklärt Professor Otto. Biomarker, wie das Tau-Protein oder die Abeta-Peptide, die bei der Alzheimer Erkrankung verändert sind, waren bei den ALS-Patienten dagegen nicht auffällig.

 

Neurofilaments in the diagnosis of motoneuron diseases: a prospective study on 455 patients

Petra Steinacker, Emily Feneberg, Jochen Weishaupt, Johannes Brettschneider, Hayrettin Tumani, Peter M. Andersen, Christine A. F. von Arnim, Sarah Böhm, Jan Kassubek, Christian Kubisch, Dorothée Lulé, Hans-Peter Müller, Rainer Muche, Elmar Pinkhardt, Patrick Oeckl, Angela Rosenbohm, Sarah Anderl-Straub, Alexander E. Volk, Patrick Weydt, Albert C. Ludolph, Markus Otto

Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 21. August 2015, doi:10.1136/jnnp-2015-311387

(http://jnnp.bmj.com/content/early/2015/08/21/jnnp-2015-311387.full?sid=583bb6cb-ae2b-4bcc-bbe7-72c8362aba16)

 

 

Das Foto zeigt Prof. Dr. Markus Otto (Foto: nn).

 

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Professor Otto