Nach 28 Jahren Tätigkeit an der Zentralen Einrichtung Klinische Chemie (ZEKCH), von denen er acht Jahre als Ärztlicher Direktor fungierte, hat sich Prof. Dr. Hans Jürgen Groß zum 31. August in den Ruhestand verabschiedet. In seiner Zeit am Universitätsklinikum Ulm (UKU) hat der Mediziner und Biochemiker gemeinsam mit seinem Team viele moderne Entwicklungen angestoßen und umgesetzt.
Über Umwege in die Klinische Chemie
„Zu Beginn meiner Karriere wollte ich unbedingt in die Forschung – nie in die klinische Routine“, erzählt Prof. Groß, dessen Vater ebenfalls als Laborarzt tätig war. „Doch dann ist alles anders gekommen, als ursprünglich geplant.“ Der 67-Jährige studierte ab 1974 Humanmedizin in Freiburg. Nach seinem Praktischen Jahr am Städtischen Klinikum Karlsruhe wechselte er ans Universitätsklinikum Heidelberg, wo er 12 Jahre lang am Institut für Biochemie forschte und im Fach Biochemie habilitierte. „Ich habe jedoch in Heidelberg für mich keine Zukunft gesehen und über die Klinische Chemie in Ulm bin ich dann wieder zur Medizin gekommen“, sagt Prof. Groß. So wechselte er 1995 in die Zentrale Einrichtung Klinische Chemie am UKU und trat eine Stelle als Assistenzarzt an. „Plötzlich war ich als habilitierter Biochemiker mit zwölf Jahren Erfahrung Assistenzarzt – da musste ich schon erstmal schlucken“, räumt Prof. Groß ein. „Aber der damalige Ärztliche Direktor, Prof. Grünert, hat mich in dieser Zeit sehr unterstützt.“
In der Klinischen Chemie in Ulm wurde Prof. Groß zunächst Facharzt für Biochemie, dann Oberarzt und stieg 2011 schließlich zum stellvertretenden Ärztlichen Direktor unter Prof. Dr. Max Bachem auf. Leider verstarb dieser 2014 plötzlich und unerwartet während einer Dienstbesprechung. „Das war der schwärzeste Tag in meinem Berufsleben“, betont Prof. Groß, der anschließend zunächst die kommissarische Leitung der Zentralen Einrichtung Klinische Chemie übernahm, bevor er vom Klinikumsvorstand zum Ärztlichen Direktor der ZEKCH ernannt wurde.
Innovativ und modern – die Klinische Chemie entwickelt sich weiter
Die ZEKCH hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. „Ein ganz besonderes Highlight in der Klinischen Chemie ist unsere neue Laboranalysestraße, die 2021 und 2022 bei laufendem Betrieb vollständig erneuert und modernisiert wurde“, erklärt Prof. Groß. In der Laboranalysestraße sind verschiedene Messgeräte durch Transportbänder miteinander verbunden, so dass von der Erfassung über die Analytik bis zur Archivierung der eingehenden Proben alle Schritte automatisiert ablaufen. Die neue Anlage ist noch leistungsstärker und bietet in vielerlei Hinsichten eine beträchtliche Arbeitserleichterung, denn sie übernimmt noch mehr Routinetätigkeiten zur Entlastung der Mitarbeitenden. „Unsere Laborautomation umfasst viele tolle Innovationen, wie den Anschluss der Gerinnungs- und Hämatologiegeräte oder ein Tages-Archiv inklusive Nachforderungs-Monitor. Hier sind wir aber längst nicht am Ende angekommen und es besteht durchaus noch Luft nach oben, die Straße zukünftig weiter auszubauen“, sagt Prof. Groß.
Weitere Innovationen, die in den letzten Jahren in der Klinischen Chemie umgesetzt wurden, sind beispielweise die Hämoglobin-Analytik in Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am UKU. Für diese wurden neue Technologien in der ZEKCH etabliert, die auch die Analytik insgesamt verbessert haben. Daneben verfügt die Einrichtung mittlerweile über drei Massenspektrometer, die zum Beispiel für das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) genutzt werden. Beim TDM wird mittels Kontrolle der Wirkstoffkonzentration im Blut die optimale Dosis eines Medikaments ermittelt. „Auf diese Weise können wir etwa die Konzentration von Antibiotika bei Intensivpatientinnen und -patienten genau überwachen und sicherstellen, dass diese die für sie genau passende Dosis erhalten. Diese exakte Art von Analytik ist in der Zwischenzeit eigentlich nicht mehr wegzudenken“, betont Prof. Groß. Innovativ ist die ZEKCH außerdem bei der Überwachung der Therapie mit den TNF-alpha-Inhibitoren, das sind entzündungshemmende und immunsuppressive Arzneimittel, die unter anderem bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen benötigt werden. In der Autoimmundiagnostik kommt außerdem seit einiger Zeit ein automatisiertes mikroskopisches System zum Einsatz.
Unverzichtbar gerade auch während der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie hat sich immer wieder gezeigt, welch wichtige Rolle die ZEKCH im gesamten Universitätsklinikum einnimmt. Denn in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie übernahm die Klinische Chemie rund um die Uhr die Infektionsanalytik für SARS-CoV-2. Hierfür hat das Team der ZEKCH einen eigenen Raum als S2-Labor ausgestattet. „Ich bin noch immer sehr stolz auf alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die trotz enormer Belastung und Druck auch während der Pandemie hervorragende Arbeit geleistet haben und extrem engagiert waren. Dafür möchte ich mich noch einmal recht herzlich bei allen bedanken“, betont Prof. Groß.
Der Garant für den Erfolg und die Innovationen: Das Team der Klinischen Chemie
„Die Neuerungen und Innovationen der letzten Jahre sind nicht meine Errungenschaften, sondern konnten nur in Teamarbeit, die in der Klinischen Chemie an oberster Stelle steht, erreicht werden. Unser Ziel ist dabei immer, die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erleichtern und Personal effizienter einzusetzen“, sagt Prof. Groß. Das Team sind dabei die akademischen Mitarbeitenden, die den Klinikern mit Rat und Tat zur Seite stehen, die Technischen Mitarbeitenden, die IT-Mitarbeitenden, die auch für andere Abteilungen mit zuständig sind, und das Sekretariat, ohne das so eine große Einrichtung nicht funktionieren könnte.
Der Leitende Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Ulm, Professor Dr. Udo X. Kaisers, sagt zum Abschied: „Prof. Groß hat die Klinische Chemie am Universitätsklinikum Ulm hervorragend vertreten und sich sehr verdient gemacht. Nicht nur in seinem Team hat er sich großer Beliebtheit erfreut. Im Namen des gesamten Vorstands möchte ich Prof. Groß für sein jahrelanges Engagement danken und wünsche ihm alles Gute für seinen weiteren Lebensweg.“
Zum 1. September 2023 hat Prof. Dr. Sven Danckwardt die Position des Ärztlichen Direktors der ZEKCH übernommen.