Am Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU) des Universitätsklinikums Ulm ist seit Kurzem das erste Interdisziplinäre Robotikzentrum in der Region Alb-Allgäu-Bodensee verortet. Für minimalinvasive Eingriffe stehen dort zwei daVinci-Operationssysteme der neuesten Generation zur Verfügung. Die Kliniken für Urologie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Frauenheilkunde sowie Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie nutzen die Robotersysteme für minimal-invasive Eingriffe und komplexe Operationen, die so noch schonender durchgeführt werden können.
„Mit dem neuen Robotikzentrum möchten wir die moderne roboter-assistierte und minimal-invasive laparoskopische Chirurgie stärken und die Vorteile dieser Technik für unsere Patienten nutzen“, sagt Professor Christian Bolenz, Sprecher des Zentrums und Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie. Gemeinsam mit Professor Christoph Michalski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, gab er den Anstoß zur Gründung des Zentrums. „Mit Hilfe der Roboter-Technik können wir zum einen die Patientenversorgung weiter optimieren. Sie bietet aber auch neue, wegweisende Potentiale in Forschung, Aus- und Weiterbildung“, ergänzen die beiden Klinikdirektoren.
Im Gegensatz zur „offenen Chirurgie“ werden für roboter-assistierte Operationen meist nur wenige 8-12 Millimeter große Schnitte gesetzt. Dabei sitzt die Operateurin oder der Operateur an einer Konsole und bedient die vier interaktiven Arme des Operationssystems. Neueste Technik überträgt die Hand- und Fingerbewegungen des Operateurs hoch präzise in Echtzeit auf die einzelnen Arme des daVinci-Systems. Durch die hochauflösende 3D-Kamera werden selbst feinste Strukturen dargestellt und das OP-Team kann jede Bewegung verfolgen. So können viele Eingriffe deutlich eleganter als in konventioneller Technik durchgeführt werden. Patient*innen profitieren von einer geringeren Belastung, weniger Blutverlust, einer reduzierten Narbenbildung und weniger Wundschmerzen. Sie erholen sich schneller von einem Eingriff und die Aufenthaltsdauer in der Klinik verkürzt sich. „Die Sorge, dass robotische Operationssysteme die Operateure ersetzen, ist unbegründet. Nicht das Gerät operiert, sondern es wird durch uns gesteuert“, sagt Professor Christian Bolenz.
Eine schnelle Genesung der Patient*innen spielt insbesondere bei komplizierten bösartigen Tumoren – wie Speiseröhren-, Bauchspeicheldrüsen-, Darm-, oder Prostatakrebs – eine essentielle Rolle. Die Therapie besteht hier immer häufiger aus verschiedenen Behandlungsschritten, einer sogenannten multimodalen Therapie. Kann der Tumor chirurgisch behandelt werden, ermöglicht eine schnelle Erholung der Patient*innen eine zeitnahe Anschluss-Therapie – wie eine Chemotherapie oder Bestrahlung. „In der modernen Krebstherapie können dank roboter-assistierter Operationen Tumoren präziser und schonender behandelt werden. Mit dem Interdisziplinären Robotikzentrum können wir nun neue Behandlungswege gehen und unseren Patienten ein größeres Spektrum an Operationstechniken anbieten“, sagt Professor Hartmut Döhner, Sprecher des Comprehensive Cancer Center Ulm. „Das interdisziplinäre Robotikzentrum stärkt auch substantiell den viszeralonkologischen Schwerpunkt im CCCU“, ergänzt Prof. Thomas Seufferlein, Stellvertretender Sprecher des Comprehensive Cancer Center Ulm und Sprecher des Darmzentrums.
Im Bereich Forschung und Lehre soll am Robotikzentrum untersucht werden, welche Operationstechniken sich für welche Krankheit eignen. Hierfür wird eine Datenbank eingeführt, in der Fallzahlen und gewonnene Erkenntnisse aus Operationen und Behandlungsverläufen erfasst und für Forschungszwecke sowie zur Weiterentwicklung von Operationstechniken und -instrumenten verwendet werden können. „Als Interdisziplinäres Robotikzentrum stehen wir im engen Austausch mit den Fachbereichen Urologie, HNO, Gynäkologie und Unfallchirurgie. Wir möchten von den Erfahrungen der anderen Disziplinen lernen“, sagt der stellvertretende Sprecher Professor Christoph Michalski.
Um das Operationssystem optimal bedienen zu können, sind für junge Operateure in der Ausbildung viele Trainingseinheiten notwendig. Deshalb wird im Interdisziplinären Robotikzentrum ein internes Weiterbildungsprogramm mit einem strukturierten Curriculum etabliert. „Neben virtuellen Weiterbildungseinheiten kann auch am Bauchmodell eine Operation simuliert und trainiert werden. Außerdem verfügt der daVinci über zwei Konsolen. So kann ein ausgebildeter und erfahrener Operateur jederzeit übernehmen – wie bei der Fahrschule“, erklärt Professor Christoph Michalski.
Am Universitätsklinikum Ulm ist bereits seit vielen Jahren ein daVinci- Roboter für Operationen in der Klinik für Urologie – beispielsweise zur Behandlung von Prostata- und Nierenkrebs – im Einsatz. Für Professor Christian Bolenz ist die roboter-assistierte Technik nicht mehr wegzudenken, „Tumoroperationen an der Prostata führen wir ganz überwiegend mit dem da Vinci-System durch“. Das zweite Operationssystem ist nun seit wenigen Wochen am UKU im Einsatz und wird hauptsächlich für Eingriffe im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie genutzt.