Sexuelle Übertragung bestimmter HIV-1-Varianten

Forscherinnen und Forscher der Uniklinik Ulm veröffentlichen Ergebnisse

Eine Untersuchung von Wissenschaftler*innen des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm (UKU) zeigt, dass Spermin, ein natürlich vorkommendes Polyamin im Sperma, eine wichtige Rolle bei der Übertragbarkeit bestimmter HIV-1-Varianten beim Geschlechtsverkehr spielen könnte. Die Forschungsergebnisse wurden nun veröffentlicht.

HIV-1 – kurz für „Humanes Immundefizienz-Virus Typ 1“ – schwächt die körpereigenen Abwehrkräfte, indem bestimmte Immunabwehrmechanismen geschädigt oder zerstört werden. Dadurch ist der Körper anfälliger für Erkrankungen. Ohne eine entsprechende Behandlung kann das Virus bei Betroffenen die Immunschwächekrankheit AIDS auslösen. Diese führt dazu, dass Betroffene anfällig für Lungenentzündungen und Pilzerkrankungen werden. Im Jahr 2021 lebten weltweit etwa 38,4 Millionen Menschen mit HIV-1, rund 1,5 Millionen Menschen infizierten sich dabei neu. Bis heute ist die Infektion mit HIV-1, außer in seltenen Ausnahmefällen, nicht heilbar und es gibt derzeit auch noch keine Impfung, die vor einer Infektion schützt. Jedoch existieren zuverlässige Therapie- und Behandlungswege, die es betroffenen Menschen ermöglichen, mit bzw. trotz HIV-1 ein langes und möglichst beschwerdefreies Leben zu führen.

Eine Übertragungsmöglichkeit ist die Ansteckung durch HIV-infiziertes Blut, beispielsweise über Spritzen oder Nadeln. Am Häufigsten kommt es jedoch zu einer Infektion durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Das Forschungsteam des Instituts für Molekulare Virologie am UKU hat nun herausgefunden, dass Spermin, welches in hoher Konzentration in der Samenflüssigkeit vorkommt, an das für HIV-1 wichtige CXCR4-Protein bindet. CXCR4 ist ein Protein, das auf der Zelloberfläche von Immunzellen sitzt und von bestimmten HIV-1-Varianten (sogenannte CXCR4-tropes HIV-1) für die Infektion genutzt werden kann. CXCR4-trope HIV-1-Varianten führen oft zu einer schnelleren Zerstörung des Immunsystems und treten für gewöhnlich erst in späteren Stadien der Infektion auf. Obwohl diese Varianten in der Samenflüssigkeit vorkommen können, werden sie beim Geschlechtsverkehr nicht übertragen. Die Gründe dafür sind bislang unbekannt.

In Laborversuchen konnten die Forscher*innen am UKU nun demonstrieren, dass sowohl Spermin als auch menschliche Samenflüssigkeit CXCR4-trope HIV-1-Varianten in Zelllinien und primären Zielzellen wirksam blockieren. „Das Spermin-Molekül setzt sich dafür auf das CXCR4-Protein, blockiert damit die Bindung von HIV-1 und verhindert die Infektion der Zelle. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Spermin im Sperma eine schützende Rolle gegen die sexuelle Übertragung dieser bestimmten HIV-1-Varianten spielen könnte“, erklärt Dr. Mirja Harms, Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Molekulare Virologie und Erstautorin der Studie. „Die neuen Ergebnisse beantworten die bislang offene bzw. ungeklärte Frage, warum CXCR4-trope HIV-1 Varianten nicht – oder nur sehr selten – durch Geschlechtsverkehr übertragen werden“, so Prof. Dr. Jan Münch, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm.

Wissenschaftler*innen des Instituts für Molekulare Virologie am UKU haben unter der Leitung von Dr. Mirja Harms (rechts) und Institutsdirektor Prof. Dr. Jan Münch (links) wesentliche neue Erkenntnisse im Bereich der sexuellen Übertragung von HIV-1 erlangt.

Wissenschaftler*innen des Instituts für Molekulare Virologie am UKU haben unter der Leitung von Dr. Mirja Harms (rechts) und Institutsdirektor Prof. Dr. Jan Münch (links) wesentliche neue Erkenntnisse im Bereich der sexuellen Übertragung von HIV-1 erlangt.