Delir – die unterschätzte Gefahr im Krankenhaus

Die Projektgruppe Delir am UKU sorgt für mehr Sensibilisierung und Aufklärung

Ein Delir ist ein häufig auftretendes, komplexes Krankheitsbild bei stationären Patient*innen – oftmals wird es jedoch nicht als solches erkannt. Um ein stärkeres Bewusstsein für die Erkrankung zu schaffen, wurde 2023 die Delir-Projektgruppe am Universitätsklinikum Ulm (UKU) ins Leben gerufen. Anlässlich des World Delirium Awareness Days am 12. März 2025 veranstaltete diese nun zum zweiten Mal ein Symposium mit rund 150 Teilnehmenden. Für mehr Sichtbarkeit sorgte außerdem ein Beitrag im SWR , in dem ein ehemaliger Delir-Patient am UKU über seine Erkrankung spricht.

Erscheinungsbild reicht von Apathie bis Halluzinationen

Als „Delir” wird im Allgemeinen eine plötzlich auftretende, akute Wesensänderung im Rahmen einer schweren Akuterkrankung bezeichnet. Die Krankheit tritt bei stationären Patient*innen in der Klinik sowie in Pflegeeinrichtungen sehr häufig auf. „Das Erscheinungsbild eines Delirs ist vielfältig, es reicht von Apathie und Schläfrigkeit bis hin zu Unruhe, Aggressivität und Halluzinationen“, erklärt Dr. Lena Schulte-Kemna, Oberärztin an der Klinik für Innere Medizin I am UKU. Zudem bestehen häufig Störungen der Orientierung und des Gedächtnisses.

Ein Delir kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, beispielsweise durch Infektionen, Operationen oder eine intensivmedizinische Behandlung. Besonders häufig sind ältere Menschen über 65 Jahre sowie Personen mit einer Demenz betroffen – prinzipiell kann aber jeder Mensch in jeder Lebensphase ein Delir entwickeln. Obwohl das Delir kein seltenes Krankheitsbild ist, werden die Symptome oftmals nicht schnell genug mit der Erkrankung in Verbindung gebracht. Unentdeckt und unbehandelt kann ein Delir den Krankenhausaufenthalt verlängern, das Demenzrisiko erhöhen und sich generell lebensbedrohlich auswirken. Deshalb ist es wichtig, bereits früh Risikopatient*innen zu identifizieren und vorbeugende Maßnahmen einzuleiten.

Projektgruppe will Vorbeugung und Behandlung nachhaltig verbessern

Aus diesem Grund wurde 2023 die Projektgruppe Delir am Universitätsklinikum Ulm gegründet. Diese ist ein Zusammenschluss von ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitenden des UKU, der RKU – Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm gGmbH und der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm. Organisatorische Unterstützung erhält die Gruppe von Mitarbeitenden des Qualitätsmanagements. Ziel des Leuchtturmprojekts ist es, bei allen an der Krankenversorgung Mitwirkenden (Pflege, Ärztinnen und Ärzte, Physiotherapie usw.) die Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Patient*innen mit einem Delir nachhaltig zu verbessern.  

„Es ist mir und der gesamten Projektgruppe ein großes Anliegen, bei allen Berufsgruppen ein stärkeres Bewusstsein für das häufig zu wenig beachtete, komplexe Krankheitsbild Delir zu entwickeln und darüber hinaus die möglichen Präventionsmaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten zu etablieren und verlässlich durchzuführen”, verdeutlicht Prof. Dr. Eberhard Barth, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKU, der an der Entstehung des Projekts maßgeblich beteiligt war. Die Basis für die Vernetzung der verschiedenen Fachabteilungen innerhalb des UKU – in enger Kooperation mit dem RKU und der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm – wurde mit der Gründung der Projektgruppe bereits geschaffen. In weiteren Schritten sollen sukzessiv auch ambulante Leitungserbringer, wie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, ambulante Pflegedienste sowie Pflegeheime, in das Projekt eingebunden werden. So kann die Versorgung der Patient*innen an der Schnittstelle zwischen dem stationären und ambulanten Bereich optimiert werden.

„Im Laufe dieses Jahres möchten wir Kurzfortbildungen und Intensivseminare für alle Mitarbeitenden in der Patientenversorgung anbieten und durchführen, um diese für die Betreuung von Betroffenen und ihren Angehörigen bestmöglich zu qualifizieren. Dazu haben wir ein umfassendes Schulungskonzept mit Vorlesungen, Online-Lernkursen und Fallbeispielen erarbeitet. Nur durch die enge Zusammenarbeit aller Berufsgruppen und mit Hilfe aktueller Behandlungspfade können wir eine effektive Risikoreduktion sowie die Verbesserung von Behandlungsergebnissen bei unseren Patientinnen und Patienten erreichen“, so Dr. Margarete Reiter, Pflegedienstleitung am UKU, und ebenfalls maßgeblich an dem Leuchtturmprojekt beteiligt.

Referent*innen informierten am World Delirium Awareness Day

Darüber hinaus veranstaltete die Projektgruppe in Kooperation mit der Kreisärzteschaft, anlässlich des World Delirium Awareness Days am 12. März 2025 bereits zum zweiten Mal ein Symposium für das Fach- und Laienpublikum am Universitätsklinikum Ulm, um über das Krankheitsbild aufzuklären. In verschiedenen Vorträgen informierten die Referent*innen die rund 150 Anwesenden zu Themen wie Delir auf der Allgemein- und Intensivstation, Delirprävention durch Angehörige, gaben Einblicke in eine Fallvorstellung und die gelebte Praxis auf der Delir-Unit am Universitätsspital Basel.

Gerade durch die praktischen Berichte und die Vorstellung einer konkreten Delir-Situation erhielten die Teilnehmenden einen unmittelbaren Eindruck von dem Krankheitsbild. In einer abschließenden Podiumsdiskussion – geführt von Michael Bollenbacher, Moderator und Reporter in der SWR-Sportredaktion – gaben die Referent*innen aus ihrer berufsspezifischen Sicht nochmal Einblicke zum Delir, schilderten ihre Erfahrungen in der Erkennung und den Umgang mit der Erkrankung und betonten unter anderem die Relevanz einer interprofessionellen, interdisziplinären Zusammenarbeit im Klinikum sowie darüber hinaus.

Informierten am UKU über Delir (von links): Prof. Dr. Karl Georg Häusler (RKU), Carmen Löffler (RKU), Michael Bollenbacher (SWR), Jessica Drechsel (UKU), Dr. Lena Schulte-Kemna (UKU), Dr. Margarete Reiter (UKU), Eva Glatthaar (UKU), Dr. Christoph Leinert (Bethesada), Juliane Thiel-Gischa (UKU), Prof. Dr. Eberhard Barth (UKU), Dr. Simone Brefka (Bethesda), Prof. Dr. Michael Denkinger (Bethesda)