Für Jürgen Kleen besteht sein Rentnerglück darin, mit seinem Dalmatiner „Sam“ Gassi zu gehen oder einfach nur auf einer Bank sitzend den Lebensabend zu genießen. Für den 82-jährigen Baden-Württemberger waren aber selbst solche kleinen Glücksmomente in der Vergangenheit selten. Denn er litt an einer altersbedingten Herzklappenerkrankung, der so genannten Trikuspidalklappeninsuffizienz. Die Trikuspidalklappe seines Herzens war undicht mit dem Effekt, dass Blut in das Venensystem zurückfloss und Atemnot, Schwindel, Stauungen in der Leber, quälenden Juckreiz und Wassereinlagerungen verursachte. Erstmals wurde in der Klinik für Innere Medizin II (Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Sport- und Rehabilitationsmedizin, Ärztlicher Direktor Prof. Dr. med. Wolfgang Rottbauer) am Universitätsklinikum Ulm nun bei Jürgen Kleen eine neuartige OP-Methode vom Herzklappen-Team um Dr. Sinisa Markovic und PD Dr. Mirjam Keßler angewendet.
„Das neue Verfahren verschließt die undichten Herzklappen mit einem Band“, erläutern die beiden kardiologischen Oberärzte Dr. Sinisa Markovic und PD Dr. Mirjam Keßler. Per Katheter wurde das so genannte Cardioband aus Polyester über die Leistenvene bis zum Herzen gebracht. Das Band wurde bei Herrn Kleen am Trikuspidalklappenring mit 17 Edelmetallschrauben fixiert. Nach der Verankerung aller 17 etwa sechs Millimeter langen Befestigungsschrauben wurde das Cardioband gerafft. Durch den Zug an einem Draht, der wie eine Leine um das Band gewickelt ist, wurde die Öffnung der Trikuspidalklappe soweit verkleinert, bis sich die Klappensegel wieder berühren. „Mit Hilfe des Cardiobandes wird der Herzklappenring gerafft und so die Undichtigkeit der Klappe verringert“, beschreibt die Operateurin und Kardiologin PD Dr. Mirjam Keßler das Prozedere. Cardioband und Schrauben verbleiben für immer im Herzen.
Damit dieser anspruchsvolle Eingriff erfolgreich verlief und die Schrauben exakt am schlagenden Herzen platziert wurden, musste die Prozedur im Röntgen durch die Operateure überwacht werden. Gleichzeitig überwachte Dr. Leonhard Schneider den Herzmuskel permanent per Echokardiographie. In der Regel dauert ein solcher Eingriff zwei bis drei Stunden.
Am 4. Oktober war die minimal-invasive Operation bei Jürgen Kleen. Nur ein paar Tage später sitzt er schon auf seiner Bettkante in der Klinik und sagt, dass es ihm viel besser geht. Er ist der erste Patient im Ulmer Universitätsklinikum, bei dem diese Methode angewandt wurde. Weltweit profitierten bislang etwa 150 Patienten mit Trikuspidalklappeninsuffizienz von der neuen Operationsmethode mit Cardioband.
Operateur Dr. Sinisa Markovic skizziert die Vorteile: „Bei einem betagten Patient besteht grundsätzlich ein hohes operatives Risiko. Man hätte Herrn Kleen sonst nur eine medikamentöse Therapie anbieten können. Eine große Operation am offenen Herzen mit einer Herz-Lungen-Maschine wäre zu riskant gewesen. Mit dem Cardioband konnten wir Herrn Kleen wieder Lebensqualität zurückgeben.“
„Mit diesem kardiologischen Eingriff belegt die Universitätsklinik Ulm erneut, dass hier Spitzenmedizin betrieben wird. Wir gehören zu den wenigen universitären Zentren, die als erste den hochkomplexen Eingriff mit Cardioband an schwerstkranken Patienten ermöglichen“, betont Professor Dr. Wolfgang Rottbauer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II, (Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Sport- und Rehabilitationsmedizin). Etwa jeder vierte Patient mit Trikuspidalklappeninsuffizienz könne künftig im Universitätsklinikum Ulm mit dieser neuen Methode operiert werden.
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